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Südafrika zieht Konzerne an

Von Zipporah Musau, Africa Renewal* | 5. Oktober 2017

New York (AR/IPS/afr). Der Universitätsprofessor Joe Eyango ist in Kamerun geboren und lehrt heute in den USA. Bei seinen häufigen Auslandsreisen wählt er seine Unterkünfte nach zwei Faktoren: Zur Bleibe muss ein bequemer Transport vom Flughafen möglich sein. Außerdem benötigt die Herberge einen verlässlichen Internetzugang.

Im Normalfall bleibt Eyango bei seinen Reisen nur ein oder zwei Nächte in einer Stadt. Er war bereits in etlichen afrikanischen Ländern beruflich unterwegs. Südafrika erfüllt seine Ansprüchen am besten. „Südafrika hat im Vergleich zu anderen afrikanischen Ländern viel zu bieten“, sagt Eyango, „das Straßensystem ist gut, es gibt ausreichend Strom und eine zuverlässige Internetverbindung, die für die Arbeit und das Geschäft einfach notwendig ist.“

Kürzlich war Joe Eyango für eine Konferenz in Johannesburg. Er flog von Amsterdam in die südafrikanische Metropole und benötigte bei der Einreise am OR Tambo International Airport für die Erledigung der Formalitäten weniger als 30 Minuten. Dann nahm er ein Taxi und war bereits eine Stunde nach der Landung im Hotel.

Südafrika zieht Großbetriebe an

Die gute Infrastruktur ist ein entscheidendes Kriterium für die hohe Anziehungskraft, die Südafrika auf multinationale Konzerne ausstrahlt. Derzeit sind mehr als 75 Prozent der Großunternehmen, die in Afrika tätig sind, im Land am Kap vertreten.

„Die Standortfrage von großen Firmen hängt einfach davon ab, ob das Umfeld für Geschäftsreisende passt“, meint John Mbaku, Forscher an der Brookings Institution in Washington, DC und Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Weber State University in Ogden im US-Bundesstaat Utah. „Investoren interessieren sich für relativ stabile Länder mit guter Infrastruktur, zuverlässiger Kommunikation, Energie und einer Arbeiterschaft.“

Zu den globalen Unternehmen, die einen Sitz in Südafrika haben, zählen etwa die Automobilhersteller BMW und Volkswagen, Finanzgruppen wie Standard Bank und Barclays Bank, das Telekommunikationsunternehmen Vodafone oder auch der Mischkonzern General Electric.

Tor zu Kontinent

Sam Ahmed ist der ehemalige Geschäftsführer der indischen Großbäckerei Britannia Industries. Im Interview erklärt er, dass Britannia nach Südafrika gekommen sei, weil es dadurch Zugang zum gesamten afrikanischen Markt hat und gleichzeitig die Kosten niedrig halten kann.

„In Südafrika haben Sie die Infrastruktur der Ersten Welt aber die Kosten der Dritten Welt“, meint der Manager. Die Produktionskosten des Unternehmens seien dort viel niedriger als in Südostasien.

Firmen benötigen aber auch Rechtssicherheit für ihre geschäftlichen Beziehungen. Viele Unternehmen wissen die fundierten Urteile der südafrikanischen Justiz zu schätzen, die sich im Unterschied zu den Gerichten in vielen anderen afrikanischen Staaten nicht von politischen Machenschaften beeinflussen lässt.

Darüber hinaus sorgt auch die Verfügbarkeit von Arbeitskräften für die hohe Attraktivität von Südafrika. Laut John Mbaku verfügt das Land trotz der vielen Apartheid-Jahre über einen relativ guten Bildungsstandard, von dem auch Investoren profitieren.

Andere Länder holen auf

Doch gilt es in Südafrika auch die Schattenseiten zu berücksichtigen. Die Kriminalitätsrate in vor allem in den Städten hoch, Korruption und politische Unsicherheit beeinträchtigen die Entwicklung von Geschäftsbeziehungen.

Für Mukhisa Kituyi, Generalsekretär der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD), ist Südafrika die älteste und am stärksten entwickelte Marktwirtschaft in ganz Afrika. Die Wirtschaft basiere vor allem auf den drei Grundfesten Bergbau, Industrie und Finanzen.

Doch Kituyi hält fest, dass auch andere afrikanische Länder in der Zwischenzeit Großinvestoren an Land ziehen: „Es ist wahr, dass Südafrika einen Startvorteil hatte. Aber das Netto-Wachstum ist in alternativen Zentren sowohl im Produktions- als auch im Dienstleistungssektor höher. Heute wachsen etwa Finanzdienstleistungen in Marokko schneller als in Südafrika.“

Im Interview mit der UN-Zeitschrift Africa Renewal betont Kituyi, dass einige multinationale Unternehmen mit Sitz in Südafrika ihre regionalen Schwerpunkte verlagern. „Vor kurzem hat Volvo in Mombasa eine Fabrik für die Herstellung von LKW eröffnet“, so der UNCTAD-Experte. „Und Dienstleistungen – vor allem im Bereich IT und Telekommunikation – gedeihen an neuen Knotenpunkten wie Nigeria, Kenia und Ruanda.“

Partnerschaften zwischen Regierungen und Unternehmen

Was versprechen sich eigentlich afrikanische Regierungen von den Investitionen durch internationale Großunternehmen? Wegen der unzureichenden eigenen Finanzmittel sind sie auf die Schubkraft der Wirtschaft angewiesen. Ausländische Investitionen stellen Kapital bereit, um ganze Industriezweige, die Infrastruktur und die Produktivität zu entwickeln. Außerdem schaffen sie soziale Einrichtungen und Arbeitsplätze. Auch bei der Umsetzung der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung ist die Finanzierung ein wichtiger Schlüssel.

Immer häufiger kommt es zwischen Regierungen und Unternehmen zu sogenannten „Private Public Partnerships“ (PPPs). Die Großbetriebe stellen in erster Linie Kapital zur Verfügung, während die jeweilige Regierung für ein wirtschaftsfreundliches Umfeld sorgt. In den letzten zehn Jahren wurden auf dem Kontinent entliche PPP-Projekte in den Sektoren Infrastruktur, Energie, Gesundheit und Telekommunikation umgesetzt.

Kreditgeber wie die Afrikanische Entwicklungsbank (AfDB) fordern von den afrikanischen Ländern, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen weiter zu verbessern. Dabei sollen vor allem rechtliche Grundlagen für PPPs geschaffen und der Erfahrungsaustausch zwischen Regulierungsbehörden und anderen ähnlichen Organisationen erleichtert werden.

Zu großer Einfluss der Wirtschaft?

Aber noch längst ist in diesem Bereich alles eitel Wonne. Zahlreiche PPP-Projekte sind in der Vergangenheit gescheitert, Kritiker befürchten einen zu starken Einfluss von Unternehmen. „Die entscheidende Frage ist, ob der Staat überhaupt die Kapazität hat, solche Partnerschaften voranzutreiben“, erklärt Mukhisa Kituyi. Das sei aber dringend notwendig, um nicht im Schuldensumpf zu versinken. Kituyi betont auch, dass die Regierungen nicht zulassen dürften, dass private Unternehmen die Agenda bestimmen.

Auch John Mbaku von der Brookings Institution warnt vor PPPs um jeden Preis: „Wenn Länder eine schwache oder korrupte Führung gibt, dann haben sie nicht die Macht oder Fähigkeiten, eine Partnerschaft erfolgreich zu verhandeln. Sie werden in einem PPP enden, das nicht wirklich eine Partnerschaft ist.“

Mbaku nennt als Beispiel Ölfirmen, die seit mehr als 20 Jahren in Afrika tätig sind und dennoch auf ausländische statt einheimische Arbeitskräfte setzen. Diese Unternehmen würden nach wie vor zögern, Wissen, Know-how und Technologie an lokale Arbeitskräfte weiterzugeben.

Ein weiteres Problem bei PPPs sei das ungleiche Machtverteilung, ergänzt Mbaku. „Wenn eine Regierung ein Entwicklungsprojekt im Rahmen eines PPP durchführt, entsteht ein Ungleichheit der Macht“, meint der Wirtschaftsexperte. „Die multinationalen Unternehmen haben das Kapital, qualifizierte Arbeitskräfte und einen externe Markt. Die Regierung hat darüber keine Gewalt.“

Trotz dieser Herausforderungen werden die PPPs weiterhin eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der armen Länder spielen. Afrikanische Länder, die internationale Investoren anziehen wollen, müssen aber dafür ihr Haus in Ordnung bringen. Dazu zählen eben die genannten Verbesserungen in den Bereichen Infrastruktur, Kommunikation, Sicherheit und Recht sowie eine entschiedene Bekämpfung der Korruption. (Ende) 

*Zipporah Musau ist Chefredakteurin des Magazins Africa Renewal  der Vereinten Nationen. Dieser Beitrag ist erstmals in der Ausgabe August-November 2017 erschienen.

Titelbild: Blick auf Kapstadt, der zweitgrößten Stadt Südafrikas (Foto: Shutterstock.com)