Von Tiego Tiemtoré | 6. Juli 2012
Ouagadougou (IPS/afr). Der 15-jährige Issa Tinto gräbt in Bompèla im Norden von Burkina Faso nach Gold. Die bittere Armut seiner Familie hat den hageren, hoch aufgeschossenen Jungen, der gut als 20-Jähriger durchgehen könnte, gezwungen, sich auf dieses gefährliche Unternehmen einzulassen, anstatt weiterhin zur Schule zu gehen.
Wie tausende andere Jungen hat Tinto die Schule abgebrochen, um auf einem der zahlreichen Goldfelder des westafrikanischen Landes auf gefährliche Schatzsuche zu gehen. Nach Angaben ist es das Ziel des Ministeriums für Bildung und Alphabetisierung, in Burkina Faso 72 Prozent der Kinder einzuschulen. 34 Prozent der Burkiner sollen lesen und schreiben können.
Doch der örtliche Elternverband berichtet, dass während des laufenden Schuljahrs allein im Zentralen Norden mehr als 3.000 Kinder die Schule vorzeitig verlassen haben. 15 Prozent der Abbrecher sind auf die Goldfelder abgewandert.
„Wenn wir nicht aufpassen, setzen wir unsere Bildungsziele aufs Spiel“, warnte der Bildungsexperte Albert Kaboré, Vorsitzender der Nichtregierungsorganisation „Savoir“, die sich für die Bildungsförderung im Land einsetzt.
„Ich habe letztes Jahr mitten in der 6. Klasse die Schule verlassen, und bin mit drei Freunden hierher gekommen, um nach Gold zu graben“, sagte Tinto gegenüber IPS. In den vergangenen vier Monaten hat er umgerechnet 31 US-Dollar verdient. Die Hälfte davon bekam seine Mutter. Das übrige Geld reichte, um seine abgerissene Kleidung gegen ein paar neue Stücke einzutauschen.
Der 16-jährige Stéphane Bationo, der seit fünf Monaten nach Gold gräbt, hat sich für einen Verdienst von umgerechnet 70 Dollar ein Fahrrad gekauft. Er wäre lieber weiter zur Schule gegangen. „Doch als mein Vater starb, musste sich mein Onkel um viele Kinder kümmern und konnte das Schulgeld für mich nicht aufbringen“, bedauerte er.
Aktivisten und Behörden warnen vor dem zunehmenden Abwandern aus den Schulen, das die bildungspolitischen Bemühungen des westafrikanischen Landes gefährdet.
Burkina Faso gehört zu den ärmsten Ländern weltweit. 50 Prozent seiner Bevölkerung von etwa 16,8 Millionen Menschen leben unter der Armutsgrenze. Doch das westafrikanische Land hat sich in den vergangenen zehn Jahren nach Südafrika, Ghana und Mali zu Afrikas viertgrößtem Bergbaugebiet entwickelt.
Goldrausch in Burkina Faso
„Gold ist zum wichtigsten Exportgut des Landes geworden und hat 2011 etwa 420 Milliarden CFA (umgerechnet 840 Millionen US-Dollar) eingebracht“, erklärte Madou Traoré, Beamter im Ministerium für Energie und Bergbau. „Seit 2008 ist die Förderung von 5,4 Tonnen auf 32,6 Tonnen im Jahr 2011 gestiegen. 2012 wird mit 40 Tonnen gerechnet“, sagte er.
Folglich wird an immer mehr Lagerstätten nach Gold gesucht. „Es gibt heute 691 gültige Lizenzen für eine Exploration, und neben acht Mangan- und Zinkminen wird hierzulande an mehr als 200 Stellen nach Gold gegraben“, stellte der Beamte fest.
Überall trifft man auf den wichtigsten Goldfeldern im nördlichen Sahel, im mittleren Norden, auf dem Zentralplateau, im Südwesten, in der Region Cascades sowie im Zentrum auf Kinder, die nach Gold graben, das Gestein zertrümmern, es transportieren und waschen oder als Wasserträger oder Küchenhelfer schuften.
„Sie werden physisch und wirtschaftlich ausgebeutet und sind schutzlos dem Gift in ihrer Umgebung und vielerlei Übergriffen ausgesetzt“, klagte Evelyne Ouédraogo. Die Medizinstudentin befasst sich in ihrer Doktorarbeit mit den gesundheitlichen Schäden von Patienten, die auf den Goldminen gearbeitet haben.
Ein Polizeibeamter, der auf Anonymität bestand, beklagte die Untätigkeit der Behörden, die nichts gegen die Ausbeutung der Kinder unternehmen. „Sie sind in erster Linie verantwortlich. Die Armut darf nicht dazu führen, dass wir die Zukunft und Gesundheit der Kinder aufs Spiel setzen“, betonte er.
Inzwischen hat das Sozialministerium einen nationalen Beirat beauftragt, Strategien für das Überleben, den Schutz und die Entwicklung der in den Minen und Steinbrüchen arbeitenden Kinder auszuarbeiten.
Für den Schulabbrecher Tinto steht schon heute fest: Er wird später einmal keines seiner Kinder in einer Goldmine arbeiten lassen. „Das ist viel zu gefährlich“, betonte er. (Ende)
Titelbild: Ein jugendlicher Goldgräber kommt nach einer „Mining Session“ an die Oberfläche. (Bild: themepap, Flickr, CC BY-NC 2.0).