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Schwammzüchterinnen entrinnen der Armut

Von Kizito Makoye | 10. April 2025

Jambiani, Sansibar (IPS/afr). Früh am Morgen, wenn sich das Meer langsam zurückzieht, bindet Zulfa Abdallah ihr Kopftuch fest, setzt die Schwimmbrille auf und steckt den Schnorchel an den Kopf. Dann watet sie entschlossen in das brusttiefe Wasser vor dem Dorf Jambiani auf Sansibar. Der Indische Ozean ist ihr Arbeitsplatz – und ihre Hoffnung. Denn inmitten von Armut und Klimawandel finden Frauen wie sie dort eine neue Perspektive.

Früher verdiente Abdallah ihr Geld mit dem Anbau von Meeresalgen. Doch steigende Wassertemperaturen haben diese Lebensgrundlage zerstört. An ihre Stelle ist nun ein anderes Produkt getreten: Meeresschwämme.

„Es ist wie eine Wunderpflanze, die mir mein Leben zurückgegeben hat”, sagt die 34-Jährige, während sie die porösen Gebilde prüft, die an Seilen unter Wasser hängen. „Sie brauchen Geduld und Fürsorge – wie ein Baby. Aber wie bei Kindern bekommt man auch viel zurück.“

Seit vier Jahren betreibt Abdallah ihre Schwammzucht bereits. Die alleinerziehende Mutter von zwei Kindern wurde von der Schweizer Organisation Marine Cultures ausgebildet. Ihre Unterwasserfarm besteht aus einem Netz aus Seilen, die zwischen Bojen gespannt sind. An den Seilen hängen die Schwämme, die sanft vom Indischen Ozean bewegt werden. Jeder einzelne Schwamm muss regelmäßig gereinigt, gepflegt und vor Fressfeinden geschützt werden. Die Arbeit ist hart – aber sie verändert Leben.

Mehr Einkommen, mehr Selbstständigkeit

Früher brachte ihr die Arbeit mit Meeresalgen kaum 30 US-Dollar im Monat – zu wenig, um ihre Familie zu ernähren. Heute verdient sie durch die Schwammzucht etwa das Dreifache. Sie konnte das Haus ihrer Mutter renovieren, neue Möbel kaufen und Geld für ein eigenes Grundstück zur Seite legen.

„Viele Frauen dachten zunächst, ich verschwende meine Zeit“, erinnert sich Abdallah an die anfänglichen Zweifel ihrer Nachbarinnen.

Doch ihre Erfolgsgeschichte ist kein Einzelfall mehr. In den letzten zehn Jahren hat Marine Cultures rund ein Dutzend Frauen im Dorf Jambiani ausgebildet – ehemals arme Algenbäuerinnen, aus denen heute selbstbewusste Unternehmerinnen geworden sind. Sie alle brechen mit gesellschaftlichen Erwartungen in einer noch immer patriarchal geprägten Region.

„Lange hat man gesagt, Frauen gehören ins Haus“, erzählt Ausbilderin Nasir Haji. „Aber diese Frauen beweisen, dass sie nicht nur arbeiten, sondern auch ein gutes Einkommen verdienen können.“ Haji ist die erste Frau in Sansibar, die den Beruf als Schwammzüchterin ergriffen hat – vor mittlerweile zehn Jahren.

Die Meeresschwämme, die in touristischen Läden zwischen 15 und 30 US-Dollar pro Stück kosten, werden als Bade- und Kosmetikartikel oder zur Babypflege verkauft. Eine lokale Kooperative sorgt dafür, dass die Bäuerinnen 70 Prozent der Einnahmen erhalten. Der Rest deckt die Betriebskosten.

„Es fühlt sich gut an, sein eigenes Geld zu verdienen”, sagt Abdallah, “ich kann es ausgeben, wie ich will.”

Herausforderungen unter Wasser

Ganz reibungslos verlief der Wechsel von der Algenzucht auf Schwammfarmen aber nicht. 2018 zerstörte eine Massenvermehrung winziger Schlangensterne fast die Hälfte der Schwämme. Im Jahr darauf bedrohte eine dichte Grünalgenblüte die Jungpflanzen. Doch die Frauen lernten, mit Rückschlägen umzugehen.

„Wir entwickeln immer wieder neue Methoden, um Krankheiten zu vermeiden und die Schwämme gesund zu halten“, erklärt Abdallah.

Mittlerweile sorgt das Projekt auch außerhalb Sansibars für Aufmerksamkeit. Marine Cultures arbeitet mit weiteren Küstengemeinden auf dem tansanischen Festland, Madagaskar und den Seychellen zusammen, um das Modell zu verbreiten. Gründer Christian Vaterlaus ist überzeugt, dass die Schwammzucht sowohl die Wirtschaft stärken als auch Meeresökosysteme schützen kann.

„Nachhaltige, gemeinschaftsbasierte Aquakultur ist ein Gewinn für alle“, sagt Vaterlaus. “Sie sichert den Menschen, die es am dringendsten brauchen, ein Einkommen und trägt zum Umweltschutz bei.“

Auch Meeresbiologe Leonard Chauka von der Universität Dar es Salaam lobt das Projekt: „Die Schwammzucht ist eine Lebensader für Frauen, da sie ein stabiles Einkommen sichert, ohne die Meeresressourcen zu erschöpfen. Ökologisch gesehen sind Schwämme natürliche Filter – sie reinigen das Wasser und schaffen Lebensraum für Meereslebewesen.“

Mut und Perspektiven

Für Frauen wie die 31-jährige Hindu Rajabu ist das Projekt mehr als nur ein Job. Früher konnte sie ihre Kinder kaum ernähren. Jetzt spart sie für ihr eigenes Haus.

„Ich bin stolz auf mich“, sagt sie, während sie vorsichtig Algen von einem Schwamm streift.

Hindu Rajabu (rechts im Bild) und ihre Kollegin sortieren getrocknete Schwämme für den Verkauf. (Foto: Kizito Makoye/IPS)

Doch es gibt auch kulturelle Hürden. Schwimmen gilt in vielen Teilen Sansibars noch immer als Tabu für Frauen. Marine Cultures hat Schwimmkurse für die Schwammfarmerinnen zur Pflicht gemacht.

„Ich hatte große Angst vor dem Meer“, erzählt Abdallah, „aber nachdem ich schwimmen gelernt habe, fühle ich mich sicher und es macht mir tatsächlich Spaß, draußen meine Schwämme zu pflegen.“

Zurück an Land versammeln sich die Frauen in einem kleinen Verarbeitungszentrum, um ihre Schwämme für den Markt vorzubereiten. Sie reinigen, sortieren und verpacken jeden einzelnen liebevoll. Jeder Schwamm bekommt ein Etikett, auf dem steht: “Nachhaltig gezüchtet in Sansibar“.

Wenn die Sonne untergeht, kehrt Aballah mit ihrer Ausrüstung nach Hause zurück. Ihre Kinder laufen ihr entgegen, ihr Lachen vermischt sich mit dem Rauschen der Wellen.

„Das Meer schenkt uns eine echte Chance, etwas Besseres aufzubauen“, sagt sie. (Ende)

Titelbild: Nasir Haji reinigt Schwämme im Indischen Ozean vor Jambiani an der Ostküste Sansibars. (Foto: Kizito Makoye/IPS)