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Kwibuka 30: Ruanda gedenkt des Genozids

Von Aimable Twahirwa | 8. April 2024

Kigali (IPS/afr). Vor 30 Jahren wurden innerhalb von 100 Tagen über eine Million Menschen in Ruanda ermordet. Der Großteil der ruandischen Bevölkerung ist zu jung, um sich an den Genoid zu erinnern. Traumata können dennoch zu einer Belastung für den Frieden werden.

“Kwikuka” heißt “erinnern” auf Kinyarwanda. Das Wort ist das Motto der Gedenkzeit, die vom 7. April bis 4. Juli in Rwanda stattfindet. Vor 30 Jahren sind in diesem Zeitraum nach offiziellen Angaben 1.074.017 Menschen ermordet worden, davon waren knapp 94 Prozent Angehörige der Tutsi-Minderheit. Der Genozid begann, nachdem am 6. April 1994 über Ruandas Hauptstadt Kigali ein Flugzeug mit dem ruandischen Präsidenten Juvénal Habyarimana und seinem burundischen Amtskollegen Cyprien Ntaryamira an Bord abgeschossen worden war.

Den Auftakt von “Kwibuka 30” machte die Kranzniederlegung am Kigali Genocide Memorial. Hier befindet sich die letzte Ruhestätte von über 250.000 Opfern des Völkermords. An der Zeremonie nahm viel internationale Politikprominenz teil, darunter etwa der ehemalige US-Präsident Bill Clinton oder der frühere Präsident Frankreichs Nicolas Sarkozy.

Fortschritte bei Aussöhnung

Marie Louise Ayinkamiye war während des Genozids elf Jahre alt. Sie lebte damals im Dorf Nyange im Westen Ruandas. Bei der Gedenkfeier in der Kigali Arena berichtete sie, dass sich die Situation im Land deutlich verbessert hat. “Ich bin mit Diskriminierung aufgrund meiner ethnischen Zugehörigkeit geboren und aufgewachsen. Jetzt – 30 Jahre später – sieht das Leben in Ruanda ganz anders aus“, sagte die Mutter von fünf Kindern.

Der Eindruck von Akinkamiye wird durch die Zahlen des Rwanda Reconciliation Barometer bestätigt. Die Regierung verwendet dieses Umfrageinstrument, um den Status der Versöhnung im Land zu erheben und zu beobachten. Der Versöhnungsstatus ist demnach von 82,3 Prozent im Jahr 2010 auf 94,7 Prozent im Jahr 2020 gestiegen. Berücksichtigt werden in der Untersuchung Faktoren wie das Vorhandensein einer nationalen Identität, der soziale Zusammenhalt oder das gegenseitige Vertrauen.

Allerdings dürfte auch noch ein anderes Faktum für den hohen Aussöhnungsgrad verantwortlich sein. 72 Prozent der ruandischen Bevölkerung sind unter 30 Jahre alt sind, die Mehrheit war zur Zeit des Völkermords als noch gar nicht geboren. Präsident Paul Kagame sprach diesen demografischen Vorteil bei der Gedenkfeier an: “Unsere Jugend ist die Hüterin unserer Zukunft und das Fundament unserer Einheit, sie verfügt über eine völlig andere Denkweise als die Generation davor.” 

Traumaverarbeitung ist notwendig

Ein Bericht der Organisation Never Again Ruanda zeigt allerdings, dass soziales Misstrauen, Verdächtigungen und Ängste als Folge des Genozids immer noch vorhanden sind. Zwar bestätigt auch die Organisation die erheblichen Fortschritte, die Ruanda in den letzten Jahrzehnten erzielt hat. Um einen nachhaltigen Frieden sicherzustellen, müsse man allerdings die Traumata in der ruandischen Gesellschaft beachten und diese zu beheben versuchen.

Eine Umfrage zur psychischen Gesundheit des Rwanda Biomedical Center (RBC) kam zum Schluss, dass 28 Prozent der Überlebenden des Völkermords Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTSD) aufweisen. Bei der allgemeinen Bevölkerung liegt der Vergleichswert bei 3,6 Prozent. (Ende)

Titelbild: Kwibuka 30 am 7. April 2024, Paul Kagame auf Flickr, CC BY-NC-ND 2.0 DEED