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Atempause für Impfungen nutzen 

Von Samira Sadeque | 16. März 2022

New York (IPS/afr). Afrikanische Länder erleben alle sechs Monate eine Spitze an Corona-Infektionen. Das zeigt ein neuer Bericht des Tony Blair Institute for Global Change. Die Zeit dazwischen müsse besser genutzt werden, um sich auf neue Varianten vorzubereiten, fordern die Autoren.

Nach Angaben des panafrikanischen Gesundheitsdienstes Africa CDC sind derzeit 12,95% der Menschen auf dem Kontinent zweimal gegen das Coronavirus geimpft. Während die Seychellen oder Mauritius sich einer Durchimpfungsrate von 80% nähern, liegen Burundi, die DR Kongo, der Tschad und die Westsahara deutlich unter einem Prozent. Eritrea hat bislang überhaupt keine Impfungen verabreicht.

Marvin Akuagwuagwu ist Datenanalyst am Tony Blair Institute for Global Change. Gemeinsam mit Adam Bradshaw hat er den Bericht The Window of Opportunity to Vaccinate Africa verfasst. 

Im Interview mit der Nachrichtenagentur IPS erklärt Akuagwuagwu, dass die Länder mit der niedrigsten Impfrate bei einem neuerlichen Anstieg der Zahlen am stärksten gefährdet seien. Akuagwuagwu rät afrikanischen Regierungen, von Ruanda zu lernen. Der keine ostafrikanische Staat sei für ihn eine Erfolgsgeschichte – 61% der Bevölkerung sind zweifach geimpft.

Vorbild Ruanda

„Ruanda hat seine Impf- und Testprogramme erheblich ausgeweitet, wodurch die Fallzahlen und die Auswirkungen von COVID-19 verringert worden sind“, sagt Akuagwuagwu. „Mit einer Impfrate von über 60 Prozent und einer Positivitätsrate von weniger als zehn Prozent ist Ruanda ein gutes Beispiel für andere afrikanische Länder –  insbesondere für Länder in Subsahara-Afrika, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen.“

Die Verfügbarkeit von Impfstoffen ist jedoch keine Frage der Versorgung, sondern das Ergebnis einer ungerechten Verteilung zugunsten der wohlhabenden Länder. Laut einem Bericht der Denkfabrik Brookings hat Afrika sechs Prozent der global verfügbaren Impfstoffe erhalten, obwohl auf dem Kontinent 17% der Weltbevölkerung leben.


In der epidemiologischen Kurve sind die sechsmonatigen Abstände zwischen den vier Spitzen nachvollziehbar.

Im IPS-Gespräch zieht Marvin Akuagwuagwu Lehren aus dem bisherigen Verlauf der Pandemie. Nachfolgend folgen Auszüge aus dem Interview:

IPS: Sie haben erwähnt, dass Afrika ungefähr alle sechs Monate von einer neuen Welle getroffen wird. Wie wirkt sich das konkret auf den afrikanischen Kontinent aus?

Marvin Akuagwuagwu: Wir haben einen Trend identifiziert, dass etwa alle sechs Monate eine COVID-19-Welle in Afrika auftritt. Dies war bei Beta, Delta und Omikron der Fall. 

Omikron war wie eine Sturzflut – sie richtete schwere Schäden an, führte aber zum Glück nicht zu einem Massensterben. Allerdings haben wir beim nächsten Mal vielleicht nicht so viel Glück – die nächste Variante könnte schwerwiegender sein, insbesondere in Ländern mit niedrigem Schutzniveau.

Das bedeutet, dass wir jetzt ein Zeitfenster haben, um Afrika gegen COVID-19 zu impfen, bevor die nächste Variante kommt. Wir müssen rasch Fortschritte erzielen, um das WHO-Ziel zu erreichen, 70% der Bevölkerung zu impfen. Das Tony Blair Insitute arbeitet mit einer Reihe von Ländern in ganz Afrika zusammen, um die Einführung von Impfstoffen zu unterstützen.

IPS: Warum glauben Sie, dass Lockdowns vorsichtiger angegangen werden und „nicht immer die beste Vorgehensweise“ sind?

Akuagwuagwu: Lockdowns sind effektiv, aber aufgrund ihrer negativen wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen sind sie nicht immer die beste Vorgehensweise zur Bekämpfung von COVID-19.

Während sich das Virus weiterentwickelt und wir mehr darüber erfahren, verabschieden sich afrikanische Länder allmählich von generellen Lockdowns. Wir haben jetzt eine Reihe von Instrumenten in der Toolbox, um COVID-19 zu bekämpfen, und ein Lockdown ist nur eine von vielen Optionen.

Als die Pandemie begann, war noch niemand COVID-19 ausgesetzt – jetzt wurden Milliarden von Menschen infiziert oder geimpft. Es ist nun also ein völlig anderes Spiel, und wir müssen uns daran anpassen.

IPS: Wie wirkt sich die aktuelle Inflation auf die von Ihnen vorgeschlagenen Maßnahmen aus?

Akuagwuagwu: Die aktuelle Inflation wirkt sich insofern auf die von uns vorgeschlagenen Maßnahmen aus, da sie eine angemessene Finanzierung erfordern. Starker politischer Wille und das Engagement der Gemeinschaft sind jedoch Katalysatoren für die Verbesserung dieser Maßnahmen und die Eindämmung der durch die Pandemie verursachten gesundheitlichen und sozialen Ungleichheiten.

IPS: Eine Ihrer Empfehlungen lautet: „Erhöhte Tests und genomische Sequenzierung, um die Übertragung zu reduzieren.“ Wie viele Länder haben die wirtschaftliche Kapazität und das Personal, um dies zu gewährleisten? Wie realistisch ist also dieses Ziel?

Akuagwuagwu: Wir wissen, dass dies eine erhebliche Herausforderung für Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen darstellt, aber die Alternative ist weitaus schlimmer – schwere Krankheiten, Lockdowns und Todesfälle, die auch die Wirtschaft und Gesellschaft insgesamt betreffen.

Das führt uns zur einer globalen Zusammenarbeit – das Tony Blair Institute for Global Change arbeitet in Afrika daran, eine langfristige Widerstandsfähigkeit der Daten-, Impfstoff- und Testinfrastruktur aufzubauen und eine größere institutionelle Stärke zu schaffen, um zukünftigen COVID-19-Wellen standzuhalten. Wir unterstützen Regierungen beim Aufbau ihrer Kapazitäten und der Bereitstellung von Leistungen für ihre Bevölkerung.

Wir fordern eine  globale Führung, um einen weltweiten Pandemieplan zu entwickeln, der den Globalen Süden dabei unterstützt, seine Bevölkerung zu impfen und die Testungen zu steigern. (Ende)

Titelbild: In Afrika sind erst 13% zweimal gegen das Coronavirus geimpft. (Foto: Shutterstock.com)