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Wenn Naturkatastrophen zu Armut führen

Von Miriam Gathigah und George Gao | 23. Oktober 2013

Nairobi/New York (IPS/afr). Die 72-jährige Wambui Karunyu und ihr siebenjähriger Enkel sind die einzigen Familienmitglieder, die überlebt haben. Ihrem Mann und den fünf Kindern ist das Leben im Bezirk Mukurwe-ini in Zentralkenia zum Verhängnis geworden. Laut einem neuen Bericht gehen in Kenia Naturkatastrophen und Armut oftmals Hand in Hand.

2009 wurden die Mitte und der Süden des Landes von einer schweren Dürre getroffen. Etwa 3,8 Millionen Menschen hungerten. Vier Jahre später sind die Lebensbedingungen in der Region nach wie vor schwierig. Nach Angaben der Behörden fallen in den höher gelegenen Teilen von Mukurwe-ini jährlich rund 1.500 Millimeter Regen, in den tieferen Regionen hingegen nur etwa 200 Millimeter.

Einem neuen Bericht (*.pdf, 22 MB) des britischen Think Tanks „Overseas Development Institute“ (ODI) zufolge zählt Kenia zu den elf Ländern weltweit, die die größten Risiken einer durch Naturkatastrophen verursachten Armut tragen. Der Report mit dem Titel „Die Geografie von Armut, Naturkatastrophen und extremen Wetterlagen 2030“ zeigt, dass die Maßnahmen im Umgang mit Katastrophen in den ärmsten Regionen der Welt bislang nicht angemessen waren.

Der Report hat eine Karte mit den Orten erstellt, an denen Armut und Naturkatastrophen im Jahr 2030 mit großer Wahrscheinlichkeit gehäuft auftreten werden. In vielen Fällen überschneiden sich die beiden Bereiche. Das Ausmaß von Katastrophen wie Dürren, Überflutungen und Wirbelstürmen hänge davon ab, welche Gegenmaßnahmen die Regierungen ergreifen würden, so die Autoren.

Klimaanpassung rettet Leben

2010 kamen bei dem Erdbeben der Stärke 7,0 in Haiti elf Prozent der Menschen, die die Erdstöße miterlebten, ums Leben. In Chile starben bei dem noch schwereren Beben von 8,8 hingegen 0,1 Prozent dieser Personengruppe. Etwa 138.000 Menschen fielen 2008 dem Wirbelsturm Nargis zum Opfer, als dieser über Myanmar hinwegfegte. Der Hurrikan „Gustav“, der ähnlich heftig wütete, riss in der Karibikregion und in den USA 153 Menschen mit in den Tod.

Schleichende Katastrophen wie etwa die Dürre, unter der Karunyu und ihr Enkel in Kenia leiden, führen vor allem in armen ländlichen Regionen zu den härtesten Entwicklungsrückschlägen, wie der ODI-Bericht hervorhebt. In diesen Gebieten gibt es zudem keine sozialen Sicherheitsnetze.

„Ich pflanze in jeder Saison Mais und Bohnen an, doch ich ernte nichts“, sagt Karunyu. „Ich höre aber nie auf zu pflanzen, weil ich hoffe, dass es dieses Mal endlich besser wird. Es ist aber immer das Gleiche – Verlust und Hunger.“

Wie Simon Mwangi aus Mukurwe-ini berichtet, der für die kenianische Vereinigung der Milchbauern arbeitet, geht es vielen Menschen in der Region wie Karunyu. „Das Leben hier ist durch Armut und Hunger gekennzeichnet. Die große Mehrheit lebt als Bauern in ländlichen Regionen. Angesichts der langen Dürreperioden ist die Lage alarmierend. Denn es gibt keine anderen Einkommensmöglichkeiten.“

Unterstützung von Agrarexperten fehlt

Unvorhersehbare Regenfälle, häufige Trockenperioden und die begrenzten Möglichkeiten der Bewohner der Region, sich den einschneidenden Klimaveränderungen anzupassen, haben sich verheerend auf das Wachstum vieler früher reichlich vorhandener Nutzpflanzen wie Mais und Bohnen ausgewirkt.

„In den tiefer gelegenen Gebieten von Mukurwe-ini ist kein Maisanbau mehr möglich, dennoch pflanzen die Farmer immer wieder Mais“, meint Mwangi. „Dabei gibt es dürrebeständige Pflanzen, die hier gut gedeihen würden. Das gilt auch für Früchte wie Ananas und Mangos. Es fehlen Agrarexperten, die den Menschen bei der Klimaanpassung helfen.“

Auch sind in Mukurwe-ini Nichtregierungsorganisationen rar. Der Internationale Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung (IFAD) war neun Jahre lang in Mukurwe-ini im Einsatz, bevor er 2011 das Gebiet verließ. „Alles klappte viel besser, als sich der IFAD um die Bewässerung und die Fortbildung der Bauern kümmerte“, so Mwangi. „Früher gab es genug Nahrungsmittel, während die Menschen heute vielerorts fast verhungern.“

In Kenia trägt jedes Kind, das in einem Dürrejahr geboren wird, ein um 50 Prozent höheres Risiko der Unterernährung, wie aus dem ODI-Bericht hervorgeht. Zwischen 1997 und 2007 fanden weniger als zehn Prozent der Armen in Kenia einen Weg aus der Armut. 30 Prozent der Bevölkerung, der es bis dahin besser ging, verarmten dagegen. Dafür werden zum Teil die verschiedenartigen Naturkatastrophen verantwortlich gemacht.

Im Juli 2012 hatte UN-Generalsekretär Ban Ki-moon ein Team aus 27 Beratern zusammengestellt, die Wege aus der Armut suchen sollten. In einem zehn Monate später veröffentlichten Bericht empfahlen die Experten, die Katastrophenhilfe ab 2015 in die Post-Millenniumsentwicklungsagenda aufzunehmen. Denn mit fortschreitendem Klimawandel werden die Wetteranomalien an Intensität deutlich zunehmen. ODI prognostiziert, dass im Jahr 2030 bis zu 325 Millionen arme Menschen in 49 Staaten extremen Wetterbedingungen ausgesetzt sein werden. (Ende)

Titelbild: Ältere Menschen wie Zeinab Wambui aus Mukurwe-ini sind vom Klimawandel besonders stark betroffen. (Bild: Miriam Gathigah/IPS)