Von Tommy Trenchard | 15. März 2013
Freetown (IPS/afr). In der vierten Etage eines neuen Bürogebäudes im Westen der sierraleonischen Hauptstadt Freetown hängen Plakate, die sich an Schönheit ihrer Motive überbieten. Zu sehen sind unberührte tropische Landschaften und einsame Strände – ein Paradies für jeden naturverbundenen Touristen. Hier „residiert“ Cecil Williams, der Leiter der Nationalen Touristenbehörde.
Williams soll einen Wirtschaftssektor wiederbeleben, der dem westafrikanischen Land einst zu wichtigen Einnahmen und Arbeitsplätzen verholfen hatte. „Nur sehr wenige Länder haben Berge bis zum Meer“, sagt er stolz. „Sierra Leone wartet darauf, erforscht zu werden.“
Unter anderen Umständen wäre seine Aufgabe sicherlich eine einfache Angelegenheit. Das Land verfügt über blendend weiße Sandstrände, die in ganz Westafrika ihresgleichen suchen und sich über eine Länge von 360 Kilometern längs des Atlantiks ziehen. Viele von ihnen wurden noch nie von einem Touristen betreten. Ein Küstenstreifen in der Nähe von Freetown diente bereits dem Hersteller des Schoko-Kokos-Riegels „Bounty“ als Werbekulisse („A Taste of Paradise“).
Anders ist es um Ghana und Gambia bestellt, die inzwischen eine viel versprechende Tourismusindustrie aufbauen konnten. Jüngsten Zahlen der Weltbank zufolge kamen 2009 mehr als 800.000 Besucher nach Ghana.
Kampf gegen Bürgerkriegsimage
Elf Jahre nach dem Ende des Bürgerkriegs (1991-2011) steht Sierra Leone nun vor einer neuen Schlacht: Das Land will sein negatives Image loswerden. Denn noch immer wird es von Europäern und Nordamerikanern eher mit Kindersoldaten und Blutdiamanten als mit Sonne und Stränden in Verbindung gebracht.
Ibrahim Kargbo, ehemaliger Informationsminister und derzeitiger Berater von Präsident Ernest Bai Koroma, bestätigt das Problem. „Wir haben schon immer gesagt, dass wir dem Land ein neues Image geben müssen“, erklärte er im IPS-Gespräch. Mit dieser Aufgabe seien die Ministerien für Tourismus, Äußeres und Information betraut worden. „Es wird Zeit, dass die Menschen erfahren, wie unser Land jetzt wirklich ist.“
Auch die Touristikbehörde ist emsig bemüht, das Bild von Sierra Leone zu verändern. Doch Cecil Williams zufolge ist das angesichts der geringen finanziellen Mittel keine leichte Aufgabe. „Wir müssten Sierra Leone viel aggressiver bewerben“, meint er. „Doch dafür brauchen wir Geld.“ Die Behörde sieht sich somit gezwungen, ihre Schätze ’soft‘ anzupreisen, indem sie internationale Reisemessen besucht, Werbebroschüren produziert, Plakate und Kurzvideos verteilt und ausländische Journalisten einlädt, sich im Land umzusehen.
Seit den Wahlen im November, die Beobachtern zufolge weitgehend frei und friedlich verliefen, hat sich in Sierra Leone Zuversicht breit gemacht, dass das Land die schwierige Vergangenheit hinter sich gebracht hat. Nun gelte es nur noch den schlechten Ruf als Land der Gewalt abzuschütteln.
Bei seiner Amtseinsetzung im Februar – das zweite Mal in Folge – kam Koroma in seiner Rede im Nationalstadion auch auf das Entwicklungspotenzial des Tourismus zu sprechen. „Wir haben ein Land mit wundervollen Landschaften. Unsere Strände sind einzigartig. Die Schönheit unserer Berge ist atemberaubend, und unser Land ist Heimat seltener Tier- und Pflanzenarten.“
„Geheimtipp, der sich nicht mehr geheimhalten lässt“
Thomas Armitt, Gründer des Reiseunternehmens „West Africa Discovery'“ ist überzeugt, dass die Wiederbelebung des sierraleonischen Tourismus bevorsteht. „Ich bin sicher, dass internationale Touristen in ein bis zwei Jahren kommen werden“, sagte er gegenüber IPS. „Ich bin seit 2011 hier und kann förmlich fühlen, wie sich die Dinge verändern.“ Der aus Großbritannien stammende Armitt hat vor, ein neues Unternehmen in Sierra Leone zu gründen. „Die Menschen schauen sich nach neuen Reiseländern um“, meint er. „Und Sierra Leone ist ein Geheimtipp, der sich nicht mehr geheimhalten lässt.“
Allerdings räumt er ein, dass es noch einige Herausforderungen zu meistern gelte. So leidet Sierra Leone unter einem fundamentalen Mangel touristischer Infrastrukturen. Um vom Flughafen zu einem Hotel in Freetown zu gelangen, bedarf es einer langen Reise zu Land und zu Wasser. Die Hotels sind im Verhältnis zu dem mittelmäßigen Service, den sie anbieten, in der Regel teuer. Zudem hat der Personentransport seine Tücken.
Doch auch hier liegt der Geruch der Erneuerung in der Luft. Vor dem Hintergrund eines durch den Bergbausektor ausgelösten Wirtschaftsbooms werden im Land neue Straßen und leichter zugängliche Flugplätze gebaut. Außerdem wird derzeit eine Tourismusschule restauriert, die den Dienstleistungsservice im Fremdenverkehrssektor verbessern soll.
„In jedem Bezirk finden derzeit Bauarbeiten statt“, so der Sprecher des Staatspräsidenten, Unisa Sesay. Auch an der Telekommunikation, den Internetverbindungen und Unterbringung werde gearbeitet. Zudem sei die Regierung bestrebt, Anreize zu schaffen, um private Tourismusunternehmen ins Land zu locken.
‚Radisson‘ und ‚Hilton‘ sind nur zwei Hotelketten, die innerhalb der nächsten zwei Jahre in Freetown Hotels eröffnen werden. Zudem haben mindestens zwei Kreuzfahrtunternehmen angekündigt, Freetown in ihre Routen aufzunehmen.
Sinneh Bangura ist ein Fischer in John Obey, einem Dorf auf der Halbinsel Freetown. Er freut sich schon auf die Ankunft der Touristen. „Das ist für uns und die Entwicklung unserer Dörfer gut“, meint er. Angesichts einer Jugendarbeitslosigkeit in Höhe von 60 Prozent ist jede Aussicht auf Entwicklung eine gute Nachricht.
„In fünf bis zehn Jahren wird der Tourismus unser Hauptdevisenbringer sein, der die Entwicklung in Sierra Leone vorantreibt“, ist der Tourismusentwicklungsbeauftragte Williams überzeugt. Letztendlich liege der Erfolg in den Händen der Sierraleoner selbst. „Trotz der schlimmen Bürgerkriegserfahren, die wir machen mussten, verstehen wir es sehr wohl, Gästen ein Gefühl von Heimat zu geben.“ (Ende)
Titelbild: Sierra Leone lockt mit traumhaften Stränden, wie hier Tokeh Beach in der Nähe von Freetown. (Bild: Tommy Trenchard/IPS)