Teile von Äthiopien, Kenia und Somalia erleben derzeit die schwerste Dürre seit Jahrzehnten. Vier Regenzeiten in Folge blieben aus. Laut UN-Angaben sind mehr als 18,4 Millionen Menschen von Lebensmittelmangel, Hunger und Unterernährung bedroht. Ein Lokalaugenschein in Marsabit im Norden von Kenia.
Von Charles Karis | 15. Juni 2022
Marsabit (IPS/afr). Darkuale Parsanti und seine Frau Mary Rampe hadern mit den enormen Verlusten in ihrem Viehbestand. Sie mussten miterleben, wie ein Tier nach dem anderen qualvoll verendete. „Ich hatte 45 Rinder und 50 Ziegen, jetzt sind fast alle wegen der Dürre tot”, erzählt Parsanti, während er sich auf einen Spazierstock stützt. “Momentan bleiben nur noch eine Kuh und fünf Ziegen.”
Das unberechenbare Wetter hat die Lebensgrundlage der Familie vernichtet, schwarze Raben fressen die Reste der Tierkadaver. Mary Rampe ist verzweifelt: “Die Dürre hat meinem Haushalt so viel Schmerzen bereitet. Selbst die Morani (junge Maasai-Krieger, Anm.), die sich um das Vieh kümmern, bleiben deprimiert zuhause.”
Regenzeiten bleiben aus
Wie viele Mütter hat Rampe die derzeit schwere Aufgabe, die Ernährungsbedürfnisse ihrer Familie und die ihrer verbliebenen Herde in Einklang zu bringen. “Das wenige Maismehl, das es noch gibt, bereiten wir zunächst für die Babys zu, dann kommen die Kinder und dann die Tiere”, sagt Rampe bedrückt.
Dem Ehepaar im Marsabit County im trockenen Norden von Kenia macht der Verlust ihrer Herde schwer zu schaffen. In den pastoralen Gesellschaften gilt das Vieh als ein Symbol für Wohlstand. Doch nun stirbt das Vieh in Scharen.
Durch den Klimawandel hat sich das Wettermuster in der Region stark verändert. Zu den früher verlässlich einsetzenden Regenzeiten fällt häufig kein Tropfen mehr. Die Temperaturen steigen und werden immer unerträglicher.
“Die Dürre hat uns zu Bettlern gemacht”
Ltadakwa Leparsanti lebt ebenfalls in Marsabit. Der Moran sagt, dass seine Familie vor der Dürre wohlhabend gewesen sei. „Wir konnten uns alles kaufen, was wir zum Leben brauchten, und uns gut kleiden. Aber diese Dürre hat uns zu Bettlern gemacht, wir sind von den Lebensmittelspenden der Hilfsorganisationen und der Regierung abhängig. Das ist die traurige Realität“, erzählt Leparsanti.
Laut den Vereinten Nationen sind allein in Kenia 4,1 Millionen Menschen in Folge der Dürre von Ernährungsunsicherheit betroffen. Die Notlage wird durch steigende Kosten für Lebensmittel und Treibstoff verschärft.
“Ich hoffe, dass es bald zu regnen beginnt”, fleht Ali Dugow, 44-jährige Mutter von vier Kindern. “Andernfalls wird uns diese Dürre noch mehr Schaden zufügen. Wir sind der Gnade Gottes ausgeliefert.”
Programme sollen vor Hunger schützen
Fast ein Jahr ist vergangen, seitdem die Hilfsorganisation World Vision International Notfallmaßnahmen gegen den Hunger in Ostafrika ergriffen hat. In der Zwischenzeit hat sich aber Situation zugespitzt: Lokale Konflikte, die Klimakrise und COVID-19 haben dazu geführt, dass Millionen Menschen in der Region nicht genug zu essen haben.
In den letzten zwölf Monaten hat World Vision länderübergreifende Programme gegen den Hunger in Ostafrika durchgeführt. Nun sollen neue Mittel in Höhe von 132 Millionen US-Dollar aufgetrieben werden.
Damit möchte die Organisation 7,1 Millionen Menschen – darunter 3,4 Millionen Kinder – in den sieben Ländern Äthiopien, Kenia, Somalia, Sudan, Südsudan, Tansania und Uganda nachhaltig vor Hunger schützen. “Wir versuchen, eine widerstandsfähige Wasserversorgung und alternative Lebensgrundlagen zu schaffen”, erklärt Andrew Morley, Präsident von World Vision International.
Im Norden von Kenia steigt indes die Verzweiflung. “So etwas wie das, was hier in Marsabit passiert, habe ich noch nie gesehen”, sagt Safia Adan. “In den letzten fünf Jahren gab es Überschwemmungen, Dürren, Hungersnöte, Konflikte und COVID-19. Das ist einfach zu viel für uns. Ich frage mich, ob meine Kinder zu vollwertigen Erwachsenen reifen werden.“ (Ende)
Titelbild: Darkuale Parsanti and his wife Mary Rampe haben den Großteil ihrer Herde durch die Dürre im Norden von Kenia verloren. (Foto: Charles Karis/IPS)