Von Taylor Toeka Kakala | 5. Mai 2014
Goma (IPS/afr). Sie haben Arme, Beine, Rumpf und Kopf. In Kinshasa, der Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo (DRC), regeln zwei Roboter den Verkehr. Im Unterschied zu ihren menschlichen Kollegen sind sie völlig unbestechlich. Der Ingenieurin Thérèse Izayi ist es gelungen, eine Weltneuheit zu entwickeln.
Eine dieser 2,5 Meter hohen menschenähnlichen Ampeln befindet sich an einer Kreuzung des Boulevard Triomphal nahe dem Parlament des zentralafrikanischen Landes. Seine Brustplatte dreht sich, wenn die Lichter von Grün auf Rot springen. Dann hebt der Roboter den Arm, damit die Fahrer auf der einen Straße wissen, dass sie anhalten müssen, um die anderen auf der Querstraße passieren zu lassen. Sprechen kann der Roboter auch – und zwar in Französisch und in der lokalen Sprache Lingala: „Fahrer, ihr könnt die Straße den Fußgängern überlassen“, sagt er etwa.
Der Roboter besteht aus Aluminium, das hohen Temperaturen und Feuchtigkeit standhält, sogar den starken Regenfällen, wie sie hier in der Nähe des Äquators üblich sind. An seinen Augen und auf den Schultern befinden sich Kameras, die kontinuierlich den Verkehr aufzeichnen. Elektrischen Strom braucht das Konstrukt nicht, es funktioniert mit Hilfe von Solarkraft.
Der Ampelmann gehört in Kinshasa längst zum Alltag. Ein Bruder von ihm steht am Lumumba Boulevard, der zum internationalen Flughafen führt. Das Patent für diese Erfindung besitzt die Organisation „Women Technology“ die Izayi gegründet hat, um Ingenieurinnen eine Plattform zu geben.
„Der Roboter empfängt die Bilder und sendet sie über die Antenne auf seinem Kopf zum Sitz von ‚Women Technology‘, wo sie archiviert werden. Er ist zudem mit einem automatischen Erkennungssystem ausgestattet, das anzeigt, wann Fußgänger über die Straße wollen“, erläutert Izayi. Anhand der Aufzeichnungen können Verkehrssünder aufgespürt werden.
Chaotische Verkehrsverhältnisse
In Kinshasa gibt es kaum reguläre Ampeln, und die Straßenverkehrsgesetze werden ständig übertreten. Die kongolesische Hauptstadt mit etwa zehn Millionen Einwohnern ist für ihre chaotischen Straßenverhältnisse berüchtigt. Doch der Roboter konnte bereits Abhilfe schaffen. „Er hat das Problem mit korrupten Polizisten gelöst“, sagt ein Taxifahrer.
Den gering verdienenden Verkehrspolizisten wird nachgesagt, Autofahrern Geld abzupressen. Weil sie ihre Opfer mitten auf der Straße stoppen, bilden sich ständig Staus. „Mit der Verkehrsdichte haben die Staus wenig zu tun“, meint Val Manga, Vorsitzender der nationalen Kommission für Straßensicherheit (CNPR). Die Roboter in Kinshasa stellen sicher, dass die Autos nur kurz halten. Polizisten werden gar nicht gebraucht.
Laut CNPR sind etwa 400.000 Fahrzeuge auf den Straßen der Hauptstadt unterwegs. Lediglich fünf Prozent davon sind Neuwagen. Jeden Monat sterben in Kinshasa durchschnittlich 40 Menschen bei Verkehrsunfällen, die zu 90 Prozent auf das Verschulden der Fahrer zurückgeführt werden.
Izayi wünscht sich noch mehr dieser Roboter herstellen und damit Arbeitsplätze für ihre Landsleute schaffen zu können. Sie hofft darüber hinaus, dass sich ihre Erfindung auch im Ausland vermarkten lässt. Die Umsetzung ihrer Pläne wird jedoch durch die verbreitete Korruption und die schleppend arbeitenden Behörden behindert, wie sie betont.
Eine Erfahrung, die auch Zacharie Kambale gemacht hat. 2012 gründete er in der Stadt Goma das soziale Internet-Netzwerk „Kongo Connect“, das im Volksmund „afrikanisches Facebook“ genannt wird und von mehr als 100.000 Menschen genutzt werden soll. Zurzeit ist die Website offline, weil Kambale sie weiterentwickelt.
Lizenzen nur durch Bestechung
Der kongolesische Ökonom Batamba Balembu schätzt, dass vier von fünf Unternehmen im Land Schmiergelder zahlen müssen, um eine Geschäftslizenz zu erhalten. Etwa 55 Prozent der staatlichen Einnahmen versickerten in dunklen Kanälen. Patentanwalt Chrysostome Kwede aus der Stadt Kisangani im Nordosten des Landes bemängelt zudem, dass die Einhaltung der Gesetze zum Schutz des Urheberrechts nicht kontrolliert wird.
Nach Angaben der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) wurden Gesetze zum Schutz von Industriepatenten und Gebrauchsmustern in der DRC erst 1982 eingeführt. Vier Jahre später traten Urheberrechtsgesetze in Kraft, die sich auf literarische und künstlerische Werke bezogen. Laut WIPO werden Patentrechtsverstöße jedoch nicht rechtlich geahndet, was nach Ansicht von Kwede die verbreitete Korruption im Industrieministerium erklärt.
Mehrmals hatte sich Izayi vergeblich um ein Patent bemüht. Die Kosten schwanken, und in der Regel muss man sechs bis zwölf Monate auf den entsprechenden Bescheid warten. Der Sprecher des Industrieministeriums, Lambert Mende, signalisierte zwar gegenüber den Medien ein Interesse an den Straßenverkehrsrobotern, wies aber zugleich darauf hin, dass der verwaltungstechnische Aufwand, die Ampelmänner zu kaufen, extrem hoch sei.
Wie die Ingenieurin erklärt, haben sich inzwischen Angola und der Nachbar Kongo-Brazzaville interessiert gezeigt. „Ich kann sie aber leider nicht mit Prototypen versorgen, weil die Herstellung zu teuer ist“, sagt sie. Jeder Roboter kostet etwa 15.000 US-Dollar, hinzu kommen monatliche Wartungskosten von 2.000 Dollar. (Ende)
Titelbild: Der Verkehrsroboter am Boulevard Triomphal in Kinshasa (Foto: Taylor Toeka Kakala/IPS)