Von Promise Eze | 14. Juli 2025
Abuja (IPS/afr). In keinem anderen Land der Erde leben mehr Menschen ohne Strom als in Nigeria. Der junge Energiepionier Stanley Anigbogu möchte dies ändern: Er entwickelt Solarlösungen durch die Wiederverwertung von Abfall.
Stanley Anigbogu konnte es zunächst gar nicht fassen. Im März erfuhr der 25-Jährige, dass er in London als Commonwealth Young Person of the Year 2025 ausgezeichnet wird. Für die prestigeträchtige Anerkennung, die den Einsatz junger Menschen für die Erreichung globaler Entwicklungsziele würdigt, hatte es über 800 Bewerbungen gegeben.
“Ich habe wirklich nicht damit gerechnet, den Preis zu gewinnen”, erzählt Anigbogu. “Diese Auszeichnung gibt mir Hoffnung. Sie zeigt, dass die Menschen unsere Arbeit wahrnehmen, und dass sie wichtig ist.“
Leuchten aus Plastikflaschen
Anigbogu ist Mitbegründer von LightEd. Das Unternehmen baut solarbetriebene Ladestationen aus Plastikabfällen und ausrangierten Schiffscontainern. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Orten, die keinen Zugang zu Elektrizität haben. Besonderes Augenmerk gilt der Stromversorgung von Flüchtlingen und vertriebenen Personen.
LightEd hat Solarladestationen in zwei großen Flüchtlingslagern in Nigeria errichtet. Die Menschen nutzen sie zum Aufladen ihrer Handys, Lampen und anderer Kleingeräte. Außerdem erfahren die Bewohner*innen, wie sie aus Plastikflaschen einfache Leuchten herstellen können.

„Ich möchte, dass Kinder in Flüchtlingslagern auch nachts lernen können”, beschreibt Anigbogu seine Motivation. “Eine gute Beleuchtung verleiht ein Gefühl von Sicherheit. Sie spart Kosten, da man keine Kerzen oder Kerosin mehr kaufen muss, sondern nur noch eine Lampe auflädt. Außerdem gibt es keine Gesundheitsrisiken, die bei herkömmlichen Beleuchtungen durch das Einatmen von Rauch und Dämpfen bestehen.”
43 Prozent der Bevölkerung ohne Stromversorgung
Anigbogu weiß, was es heißt, ohne Licht auszukommen. Während seiner Kindheit in seiner Heimatstadt Onitsha im Süden Nigerias hatte er manchmal nur wenige Stunden Strom pro Woche. Häufig musste er Kerzen oder Petroleumlampen anzünden, um seine Schulaufgaben machen zu können.
Diese Erfahrung hat Anigbogus Neugier geweckt. Er wollte wissen, wie Elektrizität funktioniert. Bereits im Alter von 15 Jahren begann er, einfache Haushaltsgeräte aus gebrauchten Teilen zu konstruieren.

Heute gilt Anigbogu in seinem Heimatland als Visionär für die nachhaltige Energiewende: Dank der Lösungen von LightEd konnten bislang über 10.000 Flüchtlinge und vertriebene Personen mit sauberer Elektrizität versorgt werden. Mit einem kleinen Team gleichgesinnter junger Menschen hat er 6.000 Studierende ausgebildet und über 20.000 Kilogramm Abfall wiederverwertet.
Nigeria ist das Land mit der höchsten Zahl von Menschen ohne Elektrizität. Laut Angaben der Weltbank haben 85 Millionen Nigerianer*innen keinen Zugang zum Stromnetz. Das bedeutet, dass etwa 43 Prozent der Bevölkerung ohne regelmäßige Stromversorgung leben müssen.
Ladestationen für Friedensdialog
Stanley Anigbogu weiß, dass die Einbindung der Bevölkerung entscheidend für den Erfolg ist. Nach der Sekundarschule war er zum Studium in Marokko. Dort gründete er ein Startup, das Energie aus Orangenschalen gewinnen wollte. Das Projekt scheiterte, aber Anigbogu gewann wertvolle Erkenntnisse. „Ich habe viele Fehler gemacht, weil ich das Geschäft nicht gut genug verstanden habe“, gibt er heute offen zu.
Während des Corona-Lockdowns im Jahr 2020 kehrte Anigbogu nach Nigeria zurück. Er wollte etwas Nützliches tun, um armen Gemeinden zu helfen. Heute hört er genau hin, was die Menschen benötigen: “Die Lösungen, die wir anbieten, entstehen unmittelbar aus den Bedürfnissen der Gemeinschaften”, sagt Anigbogu.
Als das größte Problem beschreibt Anigbogu die Skalierung. Es sei nicht einfach, die richtigen Strategien und Strukturen für eine Expansion in neue Regionen und Länder zu finden, meint er.
Sein neuestes Vorhaben ist der Bau von Ladestationen, die auch als Räume für den Friedensdialog dienen. „Ich arbeite mit den Gewinnern des Commonwealth-Friedenspreises zusammen, die heuer auch aus Nigeria kommen”, erzählt Anigbogu. “Gemeinsam diskutieren wir über den Bau einer Ladestation, die als Raum für den Dialog zwischen den Generationen und den Religionen dient. In Nigeria, wo es viele religiöse Konflikte gibt, glaube ich, dass es eine gute Idee ist, den Zugang zu Energie zu nutzen, um Menschen unterschiedlichen Glaubens zusammenzubringen.” (Ende)
Titelbild: Stanley Anigbogu mit Kindern vor einer solarbetriebenen Ladestation von LightEd (Foto: LightEd)