Von Joshua Kyalimpa | 30. Juni 2014
Kampala (IPS/afr). Könnte vielen afrikanischen Frauen die weibliche Genitalverstümmlung (FGM) erspart bleiben, wenn sie Zugang zu Wasser hätten? Gut möglich, meint der ugandische Wissenschaftler Gwada Okot Tao, der sich näher mit den Gewohnheiten von 20 ethnischen Gruppen des Kontinents beschäftigt hat.
Gwada sieht einen Zusammenhang zwischen sämtlichen Formen der Beschneidung, die auf dem Kontinent durchgeführt werden, und der Verfügbarkeit von Wasser. Im Verlauf seiner Recherchen hat der Wissenschaftler in Ländern wie Ghana, Kenia, Simbabwe, Südafrika, Tansania und Uganda festgestellt, dass die von ihm besuchten ethnischen Gemeinschaften, die FGM praktizieren, in Gebieten mit einer problematischen Wasserversorgung leben. Er fand heraus, dass die Eingriffe in Kenia nur bei drei der insgesamt 63 Volksgruppen nicht üblich sind. Und diese Ausnahmen leben in der Rift-Valley-Region, in der es Seen und Flüsse gibt.
FGM sieht die teilweise oder vollständige Entfernung der äußeren weiblichen Genitalien oder andere Verletzungen im Intimbereich vor, ohne dass dazu eine medizinische Notwendigkeit besteht. Der Eingriff, der in der Regel von traditionellen Beschneiderinnen durchgeführt wird, verursacht starke Blutungen und wird mit einer Vielzahl von Gesundheitsproblemen wie Zysten, Infektionen, Unfruchtbarkeit und Geburtskomplikationen in Verbindung gebracht.
86 Millionen Beschneidungen bis 2030
Die FGM ist in vielen Ländern verboten. Die UN-Generalversammlung hat in einer Resolution ihre Mitgliedstaaten, die Zivilgesellschaft und alle anderen relevanten Akteure dazu aufgerufen, Maßnahmen zur Ausrottung dieser Praxis zu ergreifen. Die Vereinten Nationen schätzen, dass bei fortgesetztem Trend bis 2030 etwa weitere 86 Millionen junge Mädchen weltweit beschnitten werden könnten.
Gwada war von der unabhängigen Ugandischen Bürgerkoalition für Wahldemokratie in Uganda (CCEDU) mit der Durchführung der Forschungsarbeit zur Klärung von Herrschaftsfragen bei Volksgruppen beauftragt worden. Er stellte fest, dass in Kenia die Ethnien, in denen die praktiziert wird, den Gemeinschaften, die dies nicht tun, keine Führungsqualitäten zutrauen, was wiederum Herrschaftsfragen aufwirft. Gwada räumt ein, rein zufällig auf diese Erkenntnis gestoßen zu sein.
Ihn überrascht nicht, dass die bisherigen Interventionen zur Beendigung der Praxis nicht funktionieren. Es sei schlichtweg die falsche Politik, die man betreibe, solange man nicht wisse, was Gemeinschaften zur Einführung von weiblichen Genitalverstümmelungen bewogen habe, erläuterte er im Gespräch mit IPS, nachdem er seine Untersuchungsergebnisse im Vorfeld der Veröffentlichung ausgewählten Akteuren präsentiert hatte.
Nach Ansicht von Caroline Sekyewa, Programmkoordinatorin der internationalen Hilfsorganisation ‚DanChurchAid‘, sind Gwadas Schlussfolgerungen nachvollziehbar, gerade weil in Gesellschaften, in denen das Ritual vollzogen wird, beschnittene Mädchen als ’sauber‘ gelten. DanChurchAid führt Aufklärungs- und Bildungsprogramme unter anderem für die Pokot in der Region Karamoja und für die Sabiny am Fuß des Elgon-Berges durch. Von beiden Gemeinschaften wird FGM praktiziert.
„Das bedeutet aber nicht zwingend, dass die Bereitstellung von Wasser das Problem der FGM lösen wird, zumal sich die Kultur dieser Praxis bemächtigt hat“, meint Sekyewa. „Allerdings könnte sie sich als zusätzliche Waffe im Kampf für die Abschaffung der Praxis erweisen.“
Wie sie gegenüber IPS betonte, wird ihre Organisation an die politischen Entscheidungsträger herantreten, damit diese dafür sorgen, dass die Pokot und Sabiny Zugang zu Wasser erhalten. In Pokot, wo FGM verbreitet ist, müssen Frauen zum Wasserholen etliche Kilometer zurücklegen. Die Präsenz bewaffneter Viehdiebe ist ein zusätzliches Sicherheitsrisiko.
Aquifer als Hoffnungsträger
In der Region Turkana auf der anderen Seite Kenias, das an Pokot angrenzt, wurde eine unterirdische Süßwasserquelle entdeckt. Sekyewa zufolge könnte dieses Aquifer dort zur Lösung des FGM-Problems führen.
Beatrice Chelangat ist eine Sabiny aus dem ugandischen Bezirk Kapchorwa, der an die kenianische Region Turkana anschließt. Sie hat sich dem Beschneidungszwang ihrer Volksgruppe widersetzt und engagiert sich als Mitarbeiterin der zivilgesellschaftlichen Organisationen REACH für die Abschaffung von FGM.
„Unter den kenianischen Dodoma hält sich die verbreitete Ansicht, dass unbeschnittene Frauen schneller krank werden als andere“, berichtet Chelangat. Sie hält Gwadas Forschungsergebnisse für nützlich, um FGM zu bekämpfen.
„Auf jeden Fall tragen sie zu einem größeren Verständnis bei, warum Frauen beschnitten werden“, meint Gwada. „Und sie könnten sich für die künftigen Interventionen und Gesetze gegen FGM als nützlich erweisen.“ (Ende)
Titelbild: Eine traditionelle Beschneiderin im ugandischen Kapchorwa spricht mit einem Reporter. Dort werden Frauen von der Hilfsorganisation REACH darin geschult, für ein Ende der weiblichen Genital-verstümmelung zu werben. (Bild: Joshua Kyalimpa/IPS)