Von Nasseem Ackbarally | 14. September 2016
Port Louis (IPS/afr). In Mauritius verschärfen sich die Spannungen durch Arbeitskräfte aus dem Ausland. Arbeitsmigranten aus Bangladesch, China, Indien und Madagaskar versuchen ihr Glück vor allem in der verarbeitenden Industrie des Inselstaates. Zunehmend werden sie aber auch als Maurer, Bäcker, Hauswirtschaftshilfen oder Gärtner beschäftigt.
In ihrem Doing Business Report bewertet die Weltbank die Rahmenbedingungen für wirtschaftliche Aktivitäten in allen Staaten der Welt. Im Bericht für das Jahr 2016 belegt Mauritius zum achten Mal in Folge den ersten Platz in Afrika. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist eines der höchsten aller Volkswirtschaften des Kontinents.
Aber der wirtschaftliche Erfolg des Inselstaates im Indischen Ozean hat auch eine Kehrseite. Unternehmen werben zunehmend ausländische Arbeitskräfte an, weil Mauritier immer weniger bereit sind, die schwierigen Bedingungen in der produzierenden Industrie zu akzeptieren. Oft hausen die Arbeitsmigranten in menschenunwürdigen Verhältnissen.
Enttäuschte Hoffnungen
Maqbool (Name von der Redaktion geändert) ist einer dieser Arbeitsmigranten. Der 36-jährige stammt aus Bangladesh und hat vor zwei Jahren seine Frau und die beiden gemeinsamen Kinder in Dhaka zurückgelassen. Über einen Agenten hat er eine Stelle in der verarbeitenden Industrie von Mauritius angeboten bekommen. Lange Zeit hatte er gehofft, seiner Familie nach seiner Rückkehr ein sorgenfreies Leben bieten zu können. Doch es kam anders.
„Ich habe 150.000 Taka (ca. 2.000 US-Dollar, Anm.) an einen Agenten bezahlt, um diesen Job zu bekommen“, erzählt Maqbool. „Es wurde vereinbart, dass ich 675 Dollar im Monat als Lohn erhalten sollte – das ist in unserem Land eine riesige Summe. Ich war zu jedem Opfer bereit, um so ein Einkommen zu bekommen.“
Maqbools Enttäuschung war natürlich groß, als er erfuhr, dass er nur die Hälfte des versprochenen Gehalts verdient. Er ist aber kein Einzelfall – fast alle ausländischen Arbeitsnehmer erzählen eine ähnliche Geschichte. Um ihre Reise nach Mauritus zu bezahlen, nehmen sie in ihrer Heimat Kredite auf oder verkaufen ihre Ländereien.
„Die Insel ist sehr schön, aber es gibt hier kein Geld“, berichtet Massood (Name von der Redaktion geändert). „Mein Lohn deckt gerade einmal meine Unkosten. Nur alle drei Monate kann ich meiner Familie ein bisschen Geld schicken.“ Beide Männer sind frustriert, da sie die Insel in ein paar Monaten verlassen müssen und bis jetzt kaum Geld für die Zeit nach ihrer Rückkehr ansparen haben können.
Auf der Flucht vor der Armut
Armut, Arbeitslosigkeit und die steigenden Kosten in ihren Heimatländern veranlassen Tausende Menschen aus Bangladesch, China, Indien und Madagaskar, in Mauritius auf Arbeitssuche zu gehen. Auf der Insel sind etwa 40.000 Arbeitsmigranten in der Textilproduktion, am Bau, in Hotels, im Transportgeschäft oder in der Meeresfrüchteindustrie beschäftigt. Die Entbehrungen sind hart: Weit weg von ihrer Familie arbeiten sie häufig von früh bis spät. Trotzdem beträgt ihr Verdienst oft nicht mehr als 150 US-Dollar pro Monat.
Unter dem Deckmantel der Anonymität bestätigt ein Sozialarbeiter eines großen Textilunternehmens, dass die Bedingungen für ausländische Arbeitskräfte extrem hart seien. Die ausländischen Arbeitnehmer würden Tag und Nacht arbeiten und hätten kaum Erholungszeiten. Sie seien in unhygienischen Wohnheimen untergebracht und müssten auf einer dünnen Matratze voller Flöhe und Wanzen schlafen. „Sie tun mir leid“, sagt der Sozialarbeiter. „Sie leben wie die Tiere und sind hilflos. Sie akzeptieren die Dinge, wie sie sind.“
Diejenigen, die gegen die Arbeitsbedingungen Widerstand leisten, werden nachhause zurückgeschickt. Hunderte von ausländischen Arbeitskräften hat dieses Schicksal im letzten Jahr ereilt, nachdem sie für bessere Arbeitsbedingungen auf die Straße gegangen waren und bessere Löhne gefordert hatten.
Die Compagnie Mauricienne du Textile Ltée (CMT) im Zentrum von Mauritius beschäftigt ein paar tausend ausländische Arbeiter. Diese wollen allerdings nicht mit Journalisten sprechen. Der Wachmann am Tor der Textilfabrik erklärt, dass die Arbeiter im letzten Jahr viele Probleme mit ihrem Arbeitgeber und der Polizei gehabt hätten. Daher würden sie Medien jegliche Auskunft verweigern.
Fremdenfeindlichkeit und Rassismus
Die niedrig bezahlten Arbeitsplätze in der Textilindustrie und im verarbeitenden Gewerbe sind bei den einheimischen Kräften wenig beliebt. Um die Industrie auf der Insel am Laufen zu halten, warb die Regierung erstmals im Jahr 1992 um Arbeiter aus dem Ausland. Damals wurde diese Maßnahme als temporäre Maßnahme angekündigt. Im gleichen Jahr wurde mit dem Freihafen eine zollfreie Zone geschaffen.
Ein Vierteljahrhundert später ist keine Rede mehr von einer vorübergehenden Regelung. Laut Regierung seien die ausländischen Arbeiter für die Wirtschaft der Insel nun unverzichtbar, weil sie die Einhaltung von Produktionsterminen gewährleisten und so auch Arbeitsplätze für Einheimische erhalten würden.
Gewerkschafter Reeaz Chuttoo ist ganz anderer Meinung: „Die Regierung argumentiert, dass Ausländer angestellt werden, weil die Einheimischen die Arbeitsplätze verweigern. Die Wahrheit ist aber viel mehr, dass die Regierung die einheimischen Arbeiter durch kurzfristige Verträge verschreckt. So werden z. B. in der öffentlichen Bauwirtschaft Verträge für nur vier Monate abgeschlossen.“
Chuttoo warnt vor dem hohen sozialen Sprengstoff dieser Politik. „In Mauritius ist gegenüber ausländischen Arbeitern bereits ein Klima von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus entstanden“, behauptet er.
Ministerium weist Vorwürfe zurück
Jaynarain Mathurah ist im Arbeitsministerium für Dienstnehmer aus dem Ausland zuständig. Er weist die Vorwürfe zurück und betont, dass ausländische Arbeitnehmer die gleichen Bedingungen wie die Einheimischen genießen würden. „Wir unterscheiden nicht zwischen In- und Ausländern“, sagt Maturah. „Die Vergütungsregelung im Freihafen ist für alle gleich. Außerdem gibt es eine spezielle Einheit, die sich um die Migranten kümmert und sehr schnell eingreift, wenn Probleme mit Arbeitgebern auftreten.“
Maturah ist überzeugt, dass Ausländer in Mauritius anständig behandelt werden. „Wir glauben, dass sie gute Löhne erhalten und ihre Arbeits- und Lebensbedingungen passen“, meint er. „Abgesehen von ihren Löhnen bekommen sie auch noch Unterkunft, Verpflegung und den Transport zur Verfügung gestellt.“
Maturah räumt aber ein, dass die zollfreien Sonderwirtschaftszonen – wie eben der Freihafen in Mauritius – dann zum Problem werden können, wenn es dabei um die Schaffung von Arbeitsplätzen geht. Investoren seien immer auf der Suche nach qualifizierten aber billigen Arbeitskräften. Gerade jetzt würden etliche Unternehmer in Mauritius den Ausbau ihrer Aktivitäten planen und viel Personal benötigen. Vor allem die Landwirtschaft und der IT-Sektor würden als neue Zugpferde für Arbeitsmigranten gelten. (Ende)
Titelbild: Arbeiter aus Bangladesch in Mauritius. Einige von ihnen haben sich verschuldet, um sich die Reise in den Inselstaat leisten zu können. Trotzdem verdienen sie zu wenig, um Geld ansparen zu können. (Foto: Nasseem Ackbarally/IPS)