Von Miriam Gathigah | 9. Januar 2015
Nairobi (afr/IPS). David Kamau hat schon einiges versucht, um sich mit der Landwirtschaft ein Auskommen zu schaffen. Als der Kleinbauer im Landkreis Nyeri in Zentralkenia nicht mehr genug mit dem Anbau von Mais verdiente, nahm er Möhren mit ins Sortiment. Doch noch immer erzielt er keine Gewinne. Kamau macht dafür die steigenden Produktionskosten verantwortlich.
„Für einen 150 Kilo Sack Karotten erhalte ich inzwischen 27 US-Dollar, also fünf Dollar mehr als zuvor“, erzählt der Bauer. „Doch gleichzeitig haben sich die Agrar-Inputs verteuert. „Wenn das so weitergeht, werde ich einen Teil meiner Parzelle verkaufen müssen.“
So wie Kamau geht es vielen Farmern des ostafrikanischen Landes, in dem die Landwirtschaft zu einem Viertel des Bruttoinlandsprodukts (BIP) beiträgt. Obwohl die Kleinbauern rund 75 Prozent der nationalen Nahrungsmittel erzeugen, kommen sie selbst mehr schlecht als recht über die Runden.
Großteil der Haushalte hängt von Landwirtschaft ab
Dem kenianischen Agrarministerium zufolge hängen etwa fünf Millionen der acht Millionen kenianischen Haushalte direkt von der Landwirtschaft ab. Doch für die kleinen Produzenten zahlen sich die Mühen kaum aus, was Jason Braganza, ein Wirtschaftsanalyst aus Nairobi, auf die Vernachlässigung des Sektors zurückführt.
Am Regierungsbudget hat die Landwirtschaft gerade einmal einen Anteil von 2,4 Prozent. Das ist gegenüber dem Haushaltsjahr 2012/2013 ein Rückgang von 0,6 Prozent. Dabei haben sich die Mitgliedstaaten der Afrikanischen Union in ihrer Maputo-Deklaration von 2003 dazu verpflichtet, mindestens zehn Prozent ihrer Nationaleinkommen für den landwirtschaftlichen Bereich auszugeben.
Der Preis für die Vernachlässigung der Landwirtschaft ist hoch. So kehren immer mehr Menschen auf der Suche nach besseren Verdienstmöglichkeiten dem Lebensmittelanbau den Rücken. Im einstigen Brotkorb Zentralkenias weichen Agrarflächen zunehmend Wohn- und Geschäftskomplexen.
Sozialatlas zeigt Ungleichgewicht
Doch die Landwirtschaft ist nicht der einzige Bereich, der einen Niedergang erlebt. Auch den Kleinunternehmen geht allmählich die Puste aus. Ihnen macht vor allem der fehlende Zugang zu Krediten und anderen Leistungen zu schaffen. Zwei Drittel der Kenianer haben noch nicht einmal ein Bankkonto.
Dass die städtische und ländliche Armut zunimmt, ist für Dinah Mukami von der Sozialbewegung Bunge la Mwananchi (Volksparlament) ein eindeutiges Zeichen dafür, dass sich die Zeiten für immer mehr Menschen verschlechtern. Die Organisation, die sich für die Armen im Land einsetzt, ist nach eigenen Angaben fest entschlossen, die Regierung mit Blick auf ihren im letzten Monat veröffentlichten ‚Sozioökonomischen Atlas‘ in die Pflicht zu nehmen.
Der Bericht setzt sich intensiv mit dem Problem der sozialen Ungleichheit im Lande auseinander. „Der Atlas ist ein starkes Instrument, um der Armut entgegenzuwirken“, bestätigt Mukami. „Doch ob die Regierung die darin enthaltenen Informationen sinnvoll nutzt, muss sich noch erweisen.“
Nach Ansicht von Felix Omondi, Mitglied der im Kibera-Slum von Nairobi aktiven Hilfsgruppe „Unga Revolution“, bewährt sich der Atlas mittlerweile im Kampf gegen die Armut. So sei bereits ein Programm angelaufen, das die Elendsviertel im Lande lebenswerter machen soll.
Wirtschaftswachstum geht an Armen vorbei
Seit drei Monaten arbeiten Regierung und Einwohner des größten afrikanischen Slums gemeinsam in Projekten zusammen, die Einkommen generieren und grundlegende Infrastrukturen wie Toiletten, Strom und Abwassersysteme schaffen sollen. Mindestens 3.000 junge Leute werden von den Maßnahmen profitieren, wie Omondi unterstreicht. Er selbst leitet eine von der Regierung eingerichtete Maismühle.
Im Herbst hatte Kenia ein Wirtschaftswachstum von 25 Prozent erlebt. Seither gehört es offiziell zu den Staaten mittlerer Einkommen. Eine jüngste Revision der kenianischen Zahlen zeigt, dass das Pro-Kopf-Einkommen des Landes bei 1.160 Dollar liegt – also 24 Dollar oberhalb des Grenzwertes, ab dem die Weltbank von einem Land mit mittlerem Einkommen spricht.
Doch ein Blick auf die Verteilung der Einkommen zeigt, dass Kenia noch einige Hürden zu meistern hat. Nach den jüngsten verfügbaren Zahlen, die aus dem Jahre 2005 stammen, leben 45,9 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze, und die reichsten zehn Prozent verfügen über 38 Prozent der Einkommen. In diesen Zahlen sei die informelle Wirtschaftsleistung nicht berücksichtigt, erläutert Africa Arino, Professorin für strategisches Management an der IESE-Business School in Spanien.
Trickle-Down-Effekt zur Stärkung der Mittelschicht
„Ein Taxifahrer setzt monatlich 15.000 kenianische Schilling (178 Dollar oder 132 Euro) um“, rechnet sie vor. Für ein Zimmer müsse seine vierköpfige Familie bereits 3.500 kenianische Schilling bezahlen, Küche und Bad mit anderen teilen. „Nur weil das kenianische Wirtschaftsgutachten von 2014 seinen Verdienst als Durchschnittseinkommen für einen Fahrer einstuft, ist damit nicht die Frage geklärt, ob seine Familie tatsächlich zur Mittelschicht gehört.“
Braganza ist der Meinung, dass Kenias Hauptaufgabe darin besteht, dafür zu sorgen, dass die produktivsten Sektoren des ostafrikanischen Landes mehr Unterstützung erfahren und neue Arbeitsplätze geschaffen werden.
Damit die Menschen überhaupt den Trickle-Down-Effekt zu spüren bekommen, bedarf es dem Experten zufolge einer strukturellen Transformation. „Mehr Investitionen in die besonders produktiven und in die erstarkenden Sektoren sind ein absolutes Muss, um eine Verringerung der Arbeitslosigkeit und Armut zu erreichen.“ (Ende)
Titelbild: David Kamau bei der Karottenernte auf seiner Farm im Landkreis Nyeri (Bild: Miriam Gathigah/IPS)