Von Miriam Gathigah | 10. November 2014
Nairobi (IPS/afr). Der Kaffeebauer Gabriel Kimwaki aus dem Landkreis Nyeri in Zentralkenia will das Handtuch werfen. „Von Mal zu Mal fallen meine Ernteeinnahmen magerer aus“, klagt er. „Am besten steige ich aus.“ Mit seinem Frust steht er nicht allein da. Denn obwohl das ostafrikanische Land zu einem Land mittleren Einkommens aufgewertet wurde, lebt ein großer Teil der Bevölkerung weiter in Armut.
Francis Njuguna, ein lokaler landwirtschaftlicher Berater, bestätigt, dass „sich immer mehr Kaffeefarmer auf die Produktion von Nahrungspflanzen verlegen, weil das Geschäft mit den Kaffeebohnen zu einem Risiko geworden ist“. Die Landwirtschaft ist ein wichtiger Eckpfeiler der kenianischen Wirtschaft. Nach Angaben des Nationalen Statistikamts trägt sie zu durchschnittlich 25,4 Prozent zum kenianischen Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei.
Das, was Farmer wie Kimwaki für die kenianische Volkswirtschaft leisten, kann nicht hoch genug geschätzt werden. Sie produzieren mindestens drei Viertel des gesamten landwirtschaftlichen Outputs und 70 Prozent der vermarkteten landwirtschaftlichen Erzeugnisse.
Anfang Oktober wurde Kenia zu einem Land mittleren Einkommens aufgewertet. Doch der Wirtschaftsanalyst Jason Braganza erklärte gegenüber IPS, dass diese Entscheidung vor allem auf die Verwendung positiverer Zahlen besonders produktiver Sektoren wie der Landwirtschaft, Telekommunikation, Immobilien und Fertigung zurückzuführen sei. Mit Erfolgen bei der Armutsbekämpfung habe dies nichts zu tun.
Pro-Kopf-Einkommen von 1.160 Dollar
Das kenianische BIP wird inzwischen auf 53,4 Milliarden Dollar geschätzt. Damit ist Kenia von der zwölft- zur neuntgrößten Wirtschaftsmacht Afrikas aufgestiegen.
Das durchschnittliche Bruttonationaleinkommen liegt bei 1.160 Dollar pro Jahr. Nach Angaben der Weltbank wird ein Staat nur dann in die Riege der Länder mittleren Einkommens aufgenommen, wenn es ein nationales Pro-Kopf-Bruttoeinkommen – das BIP eines Landes und das aus Übersee stammende Nettoeinkommen – von mehr als 1.036 Dollar vorweisen kann.
Der Aufstieg Kenias wird zwar als Schritt des wirtschaftlich stärksten ostafrikanischen Landes in die richtige Richtung gewürdigt. „Doch heißt das nicht, dass Kenia reich ist und sich seiner sozioökonomischen Herausforderungen erfolgreich gestellt hat“, erklärte der Analyst Ted Ndebu im IPS-Gespräch.
Nach Weltbankzahlen leben mindestens vier von zehn Kenianern in Armut. Mit einer Wirtschaftswachstumsrate von 5,7 Prozent ist das Land „noch immer weit von einem zweistelligen Wirtschaftswachstum von mindestens zehn Prozent entfernt, wie es in ‚Vision 2030‘, dem wirtschaftlichen Fahrplan Kenias, vorgesehen ist.
Braganza zufolge ist die Neueinstufung des Landes eine rein „statistische Angelegenheit, die kaum dazu beitragen wird, die Armut zu bekämpfen. Wachstum muss von Entwicklung begleitet werden. Es ist die Entwicklung, die die Armut verringert, weil sie sich Fragen wie denen des Zugangs zu Bildung, Gesundheitsdiensten und Arbeitsplätzen annimmt“, erklärte er.
Der Experte betonte ferner, dass es viele Faktoren gibt, die in den Statistiken nicht auftauchen. Die Menschen bestimmten Einkommenskategorien zuzuordnen, erlaube nicht automatisch, konkrete Aussagen über deren Wohlergeben machen zu können. Zu sehen seien lediglich die Bedingungen, unter denen Menschen lebten.
Verbesserter Status bringt nicht nur Vorteile
Die Aufwertung Kenias könnte Kenia um dringend erforderliche Entwicklungsgelder bringen. So meinte Jason Lakin, Landesmanager der „International Budget Partnership Kenya“, dass sich die Geber in jüngster Zeit auf die ärmsten Länder der Welt eingeschossen hätten. Länder mittlerer Einkommen hingegen seien als Entwicklungshilfeempfänger weniger gefragt.
Einkommensschwache Länder kommen grundsätzlich in den Genuss großzügigerer Finanzierungshilfen. „Nehmen wir als Beispiel die Kredite der Weltbanktochter IDA. Sie verleiht zinsniedrige und lang laufende Darlehen. Die Staaten mittlerer Einkommen könnten sich für derart günstige Bedingungen nicht qualifizieren“, fügte er hinzu.
Obwohl Kenia kein Land ist, das von Entwicklungshilfe abhängt – der Anteil bewegt sich zwischen sieben und zehn Prozent des nationalen Haushalts – ist Braganza der Ansicht, „dass wir die Bedeutung der Hilfe keineswegs geringschätzen sollten, da sie Schlüsselbereiche wie Gesundheit, Landwirtschaft und Bildung unterstützt. „Geberhilfen sind von fundamentaler Bedeutung, weil sie in sozialen Bereichen zum Tragen kommen, in denen Menschen unter sehr schweren Bedingungen leben müssen.“ (Ende)
Titelbild: Der Kaffeebauer Gabriel Kimwaki aus dem Landkreis Nyeri überlegt, seinen Beruf an den Nagel zu hängen. Denn obwohl die Landwirtschaft das Rückgrat der kenianischen Wirtschaft ist, bleibt den Produzenten wenig zum Leben. (Foto: Miriam Gathigah/IPS)