Von Ngala Killian Chimtom | 31. Oktober 2012
Yaoundé (IPS/afr). Clarisse Kimbi kann von dem bisschen Land, das sie in der Ortschaft Kom in der kamerunischen Nordwestregion besitzt, kaum leben. Für die sechsfache Mutter ist es schwierig, ihre Kinder satt zu bekommen. Dabei ging es der Familie vor fünf Jahren noch recht gut. Doch der Tod ihres Ehemannes veränderte die Situation gravierend.
Zu Lebzeiten von Kimbis Mann verfügte die Familie über fünf Hektar Land. Die Erträge reichten nicht nur für den Nahrungsmitteleigenbedarf. Ein Teil ging in den Verkauf. In einem Land, in dem 40 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze leben, sind dies gute Voraussetzungen, um ein halbwegs sorgenfreies Leben zu führen.
Doch als Kimbis Mann verstarb, war es mit den guten Zeiten rasch vorbei. „Er war erst einen Tag unter der Erde, da rückte meine Schwiegerfamilie an und nahm sich das Land, das mein Mann und ich 27 Jahre bewirtschaftet hatten“, berichtet die Witwe. Wie viele Frauen ihres Landes ist sie ein Opfer des traditionellen Erbrechts, das Land ausschließlich den Männern zuspricht.
Für die Hinterbliebenen heißt es den Gürtel enger zu schnallen. Kimbi musste zwei ihrer Kinder aus der Schule nehmen, weil sie das Schulgeld nicht mehr zahlen konnte. Zwar hat Präsident Paul Biya 2004 per Dekret bestimmt, dass der Besuch der Grundschule kostenlos ist. Doch bis heute werden die Eltern zur Zahlungen der Schulgebühren angehalten, um die schlecht ausgestatteten Bildungseinrichtungen am Laufen zu halten.
Hauptproduzentinnen ohne Land
Nach Angaben des Nationalen Statistikamts stellen Frauen in Kamerun 52 Prozent der 20 Millionen Menschen zählenden Bevölkerung. Und obwohl sie in dem zentralafrikanischen Land 80 Prozent des Nahrungsmittelbedarfs produzieren, besitzen sie laut dem Kamerunischen Netzwerk für Geschlechtergerechtigkeit gerade einmal zwei Prozent des Landes.
„Wenn wir von einer gerechten und gleichberechtigten Gesellschaft reden wollen, müssen wir dafür sorgen, dass mindestens 35 Prozent des Landes in Frauenhand gelangt“, meint Judith Awondo, die Koordinatorin der Organisation, im IPS-Gespräch.
Obwohl das Landbesitzgesetz von 1974 Kamerunern den gleichberechtigten Zugang zu Land zusichert, sorgen Gewohnheitsrechte und traditionelle Praktiken dafür, dass Frauen leer ausgehen und in Armut versinken.
„Da Frauen der Zugang zu den produktiven Ressourcen versperrt ist, befinden sie sich in einer schwächeren Position, was Agrarproduktion und Wirtschaftswachstum, Ernährungssicherheit, Familieneinkommen und politische Mitsprache angeht“, erläutert Fon Nsoh, Koordinator der Kamerunischen Bewegung für das Recht auf Nahrung, einer lokalen Nichtregierungsorganisation. Eine Haushaltsumfrage von 2007 ergab, dass 52 Prozent der Kameruner, die in armen Haushalten leben, Frauen sind.
Das Problem, Frauen und Gemeinschaften den Zugang zu Land zu sichern, wird durch die Landnahmen multinationaler Konzerne und durch die reichen Eliten im Lande erschwert. Ein Beispiel ist der Grand Grab des in New York ansässigen Unternehmens ‚Herakles-Farms‘ in Kameruns Süd-West-Region.
Am 7. November 2011 hatte der High Court des Bezirks Kupé-Muanenguba in der Süd-West-Region den Projektstopp verfügt. Dennoch macht das Unternehmen, das sich mit einem 99 Jahre laufenden Pachtvertrag über 73.000 Hektar Land gesichert hat, mit dem Anbau von Ölpalmen in der Region weiter. Die Vertragsbedingungen bezeichnet Nsoh als „skandalös“.
Das US-amerikanische Oakland-Institut und die internationale Umweltorganisation Greenpeace haben in einem Bericht gewarnt, dass sich das als Hotspot der Artenvielfalt bezeichnete und zwischen vier großen Schutzgebieten befindliche Areal negativ auf 45.000 Menschen auswirken könnte.
Umweltgruppen werfen Herakles Farms vor, trotz zweier einstweiliger Verfügungen und der fehlenden Zustimmung der Regierung und gegen den Widerstand der Anrainer mit dem Vorhaben weiterzumachen. „Es gibt tausende Menschen, die dort ihr Land verlieren könnten. Das gilt insbesondere für Bäuerinnen, die nicht Teil der Verhandlungen waren“, erläutert Nsoh, der mit anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren versucht, das Landbesitzgesetz von 1974 zu reformieren.
Aktivisten fordern Gesetzreform
„Das Gesetz von 1974 ist obsolet. Es wurde vor 38 Jahren verabschiedet und wird den Gegebenheiten des modernen Lebens nicht mehr gerecht“, meint der Aktivist. Danach ist der Staat zu einem „rationalen“ Umgang mit dem Land unter Berücksichtigung der nationalen Wirtschaftsinteressen berechtigt.
Nsoh kritisiert, dass in dem Gesetz eine Mitsprache der betroffenen Gemeinschaften nicht vorgesehen ist. Er weist ferner darauf hin, dass es etliche Fälle gibt, in denen der Staat Land für Investitionszwecke konfisziert hat, ohne sich vorab mit den dort lebenden Menschen abgesprochen zu haben.
Nsoh zufolge braucht Kamerun ein Gesetz, dass Gemeinden und Frauen bei Verhandlungen über Land einbezieht. „Außerdem müssen in den Landbesitzurkunden die Namen beider Eheleute eingetragen sein. Nur so lässt sich das patriarchalische Erbrechtssystem überwinden“, betont der Aktivist. Die zivilgesellschaftlichen Organisationen setzten sich zudem für eine Vereinfachung des langwierigen Prozesses der Ausstellung von Landtiteln ein. „Auch hier müssen wir das Gesetz überarbeiten und der ganzen Angelegenheit eine Gendernote gegeben.“
Bislang hat die Regierung nicht auf die Forderungen der Zivilgesellschaft reagiert. Dennoch ist Nsoh zuversichtlich, dass sie mitziehen wird. Im letzten Jahr hatte Staatschef Biya bei einer Veranstaltung in Ebolowa in Kameruns Südregion die Notwendigkeit betont, das Landbesitzgesetz zu überarbeiten. (Ende)
Karte: Kom in Kamerun
Titelbild: Der Sohn von Olivier Forgha Koumbou bewässert die Ackerböden auf der Farm in Santa im Nordwesten von Kamerun. (Foto: Ngala Kilian Chimtom, IPS)