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Hustensaft aus Schneckenschleim

Von Wilson Odhiambo | 10. Juli 2023

Nairobi (IPS/afr). Der Gedanke an Schneckenschleim ruft bei vielen Menschen Ekel hervor. Für den kenianischen Wissenschaftler Paul Kinoti ist das Sekret aber ungemein nützlich: Er entwickelt daraus einen Hustensaft für Kleinkinder.

Paul Kinoti ist Dozent in der Abteilung für Gartenbau und Ernährungssicherheit an der Jomo Kenyatta University of Agriculture and Technology (JKUAT). Für seine Forschung an Schnecken hat er kürzlich eine Förderung in Höhe von 127 Millionen Kenia-Schilling (ca. 83.000 Euro) vom Institute of Heliciculture in Cherasco, Italien erhalten. 

In Kontakt mit der Schneckenzucht ist Kinoti vor mehr als zehn Jahren im Rahmen seines Doktoratsstudiums an der Universität für Bodenkultur (BOKU) in Wien gekommen. Nach seiner Rückkehr in Kenia begann er, sich mit dem Potenzial von Schnecken für die Landwirtschaft zu beschäftigen. So entwickelte er etwa Hautpflegeprodukte, die vom Kenya Bureau of Standards (KEBS) zertifiziert wurden und bereits auf dem Markt erhältlich sind.

Entdeckung in Ghana

2019 bemerkte Kinoti bei einem Aufenthalt in der Stadt Kumasi in Ghana, dass dort für Kinder ein spezielles Grippemittel zubereitet wurde. „Mir ist aufgefallen, dass die Eltern Schneckenschleim sammelten, diesen mit etwas Honig vermischten und den Kindern als Heilmittel verabreichten“, erzählt Kinoti. 

Die Entdeckung ließ Kinoti nicht mehr los: Denn in Kenia stehen rezeptfreie Hustensäfte für Kleinkinder aufgrund ihrer Nebenwirkungen seit vielen Jahren  in der Kritik. Der Wissenschaftler ist überzeugt, dass Schneckenschleim eine unbedenkliche und zudem leistbare Alternative bei Kindern unter fünf Jahren darstellt. 

Sein Forschungsprojekt ist in zwei Phasen angelegt: In der ersten Phase geht es darum, die Wirkung von Schneckenschleim weiter zu erforschen und Landwirt*innen zur Schneckenzucht zu ermutigen. In der zweiten Phase soll die Produktion des Hustensafts gestartet werden. Für die Markteinführung ist eine Zulassung durch die Kenya Food and Drug Authority (KFDA) erforderlich. Der Abschluss des Forschungsprojektes ist für Mai 2025 geplant.

Riesenschnecke im Fokus

Im Mittelpunkt der Forschung steht derzeit die Ostafrikanische Riesenschnecke (Echte Achatschnecke, Achatina Fulica), die pro Tier bis zu vier Milliliter Schleim absondert. Für die Herstellung von einem Liter Schleim werden also 250 dieser Riesenschnecken benötigt. Kinoti legt aber Wert darauf, dass die Schnecken bei der Schleimgewinnung nicht verletzt werden. Die Extraktion erfolgt nur einmal pro Woche unter Einsatz von Zitronensäure.

Mit einer Gehäuselänge von bis zu 20 cm und einer Körperlänge von bis zu 30 cm zählt die Ostafrikanische Riesenschnecke zu den größten Landschnecken der Welt. In verschiedenen afrikanischen und asiatischen Küchen gilt das Weichtier als Delikatesse. Für die Landwirtschaft stellte die Riesenschnecke bislang eher ein Problem dar:  Sie wird als invasive Art betrachtet, die rasch Kolonien bildet, den Anbau schädigt und Pflanzenkrankheiten überträgt.

Durch die Produktion des Hustensafts soll die Ostafrikanische Riesenschnecke zu einer wichtigen Einkommensquelle für Landwirt*innen werden. In dreitägigen Kursen werden Bauern und Bäuerinnen in der Aufzucht von Schnecken und in der Schleimextraktion geschult. Die gewonnenen Sekrete werden dann von der JKUAT angekauft und zu Hustensaft verarbeitet.

Zusätzliche Erwerbsquelle für die Landwirtschaft

Die Fördermittel aus Italien sollen laut Paul Kinoti auch dazu beitragen, für Frauen, Jugendliche und Menschen mit Behinderungen neue Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen. Mit einem Investment von 20.000 Kenia-Schilling (132 Euro) könne ein*e Schneckenzüchter*in bis zu 100.000 Kenia-Schilling (660 Euro) im Monat verdienen, so Kinoti.

Antony Njoroge, Bauer im Kiambu County in Zentralkenia, ist für den Zusatzverdienst dankbar: “Die meisten Menschen im Kiambu County sind komplett in der Landwirtschaft tätig oder haben irgendwo ein Stück Land, das sie für landwirtschaftliche Aktivitäten reserviert haben. Viele erhalten jetzt eine zusätzliche Erwerbsquelle. In unserer Kultur hätten die meisten von uns nie daran gedacht, Schneckenzucht zu praktizieren.“ (Ende)

Titelbild: Afrikanische Riesenschnecken auf einem Markt in Accra, Ghana (Foto: Canva)