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Hexenverfolgungen in Malawi nehmen zu

Von Charles Mpaka | 17. April 2023

Blantyre (IPS/afr). Im Dezember 2022 ging ein Videoclip auf Facebook viral, der zwei ältere Frauen zeigt, wie sie ein Grab in einem Dorf im Bezirk Mzimba mit Erde auffüllen. Die beiden Schwestern sind von einer aufgebrachten Menschenmenge umringt. Ein Mann tritt aus dem Mob hervor und schlägt eine der beiden Frauen, so dass sie ins offene Grab fällt.

Der Name der Frau ist Christina Mphande (77). Was war ihr Verbrechen? Die Menschen im Dorf beschuldigten sie, eine junge Verwandte durch Hexerei getötet zu haben. Als Strafe musste sie die Tote beerdigen, dabei wurde sie von ihrer Schwester unterstützt. Mphande wurde in der Folge aus dem Dorf verbannt, ihre Habseligkeiten und ihr Vieh wurden beschlagnahmt.  

Mphande lebt in der Zwischenzeit in sicherer Entfernung zu ihrem Heimatdorf. Der Vorfall hat aber schwere psychische und physische Spuren hinterlassen: Sie wird immer noch von Alpträumen geplagt. Außerdem hat sie bei dem Angriff einige Zähne verloren.

Anstieg bei der Ermordung älterer Frauen

Das Schicksal von Christina Mphande ist längst kein Einzelfall. In Malawi kommt es immer öfter zu Übergriffen gegen ältere Frauen.

Christina Mphande kann sogar von Glück reden, dass sie den Angriff überlebt hat. Laut dem “Malawi Network of Older Persons Organizations” (MANEPO) wurden in den ersten beiden Monaten des heurigen Jahres bereits fünf ältere Frauen getötet. Im gesamten Jahr 2022 waren es 15 Todesfälle – 13 mehr als noch im Jahr zuvor. In den meisten Fällen war der Vorwurf der Hexerei das Motiv.

Der Landesdirektor von MANEPO, Andrew Kavala, verurteilt die Übergriffe entschieden: „Als Gesellschaft haben wir unsere älteren Menschen im Stich gelassen. Wir haben eine ungerechtfertigte Wut auf sie. Aus Frustration über eigene Missstände lassen wir unseren Zorn an unschuldigen Menschen aus. Das ist eine Tragödie.“ Viele Menschen in Malawi würden Hexerei und Magie für ihr persönliches Unglück verantwortlich machen, so Kavala.

Koloniales Gesetz unter Beschuss

Die Hexenjagd hat in Malawi eine lange Geschichte. Bereits die britische Kolonialregierung erließ 1911 ein Gesetz, das Übergriffen Einhalt gebieten sollte. Der “Witchcraft Act” schreibt fest, dass Hexerei nicht existiert. Behauptungen, die andere Menschen der Hexerei bezichtigen, sind demnach strafbar.

Die koloniale Gesetzgebung könnte aber bald der Vergangenheit angehören: Die Regierung richtete eine Sonderkommission unter dem Vorsitz von Richter Robert Chinangwa ein, um die Zeitmäßigkeit des Gesetzes zu überprüfen. Die Kommission kam in ihrem Ende 2021 veröffentlichten Bericht zum Schluss, dass die Existenz von Hexerei nicht als zweifelhaft, sondern als schlüssig angesehen werden sollte.

„Es gibt Hexerei oder zumindest einen Glauben an Hexerei unter Malawiern“, heißt es in dem Bericht. Und weiter: „Es ist nicht richtig zu behaupten, dass es in Malawi keine Hexerei gibt, nur weil deren Ausübung auf bloßem Glauben beruht.” Die Kommission sprach sich folglich für eine Reform des Gesetzes aus. U. a. sollen Menschen, die Hexerei ausüben, gerichtlich verfolgt werden können. 

Menschenrechtsorganisationen reagierten entsetzt. Sie gaben eine gemeinsame Erklärung ab, in der sie ausführten, dass Hexen oder Zauberer per Defintion Personen seien, die heimlich übernatürliche Kräfte für böse Zwecke einsetzen würden.

Vor Gericht wäre aber ein solcher Beweis nicht zu erbringen, heißt es in der Erklärung: “Es ist eine gute Rechtspraxis, dass die Staatsanwaltschaft die Schuldfrage zweifelsfrei beweisen muss, damit es zu einer Verurteilung kommt. Hexerei beinhaltet jedoch den Einsatz übernatürlicher Kräfte. Deshalb wäre es sehr schwierig, entsprechende Anschuldigungen vor Gericht zu beweisen.”

Polizei ist oft machtlos

Trotz gegenteiliger Empfehlungen der Sonderkommission ist der Witchcraft Act von 1911 nach wie vor in Kraft. Dennoch ist die malawische Polizei häufig machtlos bei der Ahndung von Straftaten. Polizeisprecher Peter Kalaya: “In einer Gesellschaft, in der eine Mehrheit an Hexerei glaubt, gibt es einen großen Widerstand gegen die Strafverfolgung.”

Die Situation wird auch durch die Tatsache erschwert, dass sich die Übergriffe zumeist in ländlichen Gebieten – weit entfernt von der nächsten Polizeistation – ereignen. Laut Kalaya sei es daher schwer, schnell einzugreifen, die Opfer zu retten und die Täter festzunehmen.

Für Wycliffe Masoo, Direktor für Behinderten- und Seniorenrechte bei der “Malawi Human Rights Commission” (MHRC), bleibt in der ganzen Debatte aber vor allem eine Frage offen: “Wenn es Hexerei tatsächlich gibt – warum wird sie dann offenbar nur von älteren Menschen praktiziert?”

Gemeinsam mit anderen Menschenrechtsorganisationen fordert Masoo rechtliche Rahmenbedingungen für ältere Menschen, um sie vor Übergriffen zu bewahren. Eine entsprechende Gesetzesvorlage hat es bislang aber nicht ins Parlament geschafft. Masoo drängt außerdem darauf, dass mehr in Aufklärung und Bildung investiert wird als bisher. „Nur das wird ältere Frauen schützen“, ist er überzeugt. (Ende)

Titelbild: Christina Mphande ist vom Angriff auf ihre Person schwer gezeichnet. (Foto: Charles Mpaka/IPS)