Von Saloum Sheriff Janko | 4. September 2012
Banjul (IPS/afr). Mohamed Ceesay, ein 20-jähriger Bauer aus der Zentralen Flussregion in Gambia, hat keinen höheren Schulabschluss. Dank der Initiative „Operation No Back Way to Europe“, die junge Leute von der Auswanderung nach Europa abhalten soll, verdient er aber mit seiner Reisernte inzwischen mehr als halb so viel wie ein Minister in der Regierung.
„Im Juli habe ich auf 20 Hektar Land Reis geerntet“, erzählt er. „Unsere Vereinigung hat sogar die Erträge von 100 Hektar eingebracht.“ Ceesay verdient alle drei Monate umgerechnet 1.170 US-Dollar, ein Minister im gleichen Zeitraum rund 2.000 Dollar.
Ceesay ist einer von 50 jungen Bauern, die der Organisation „Operation No Back Way to Europe“ angehören. Seit 2008 versucht sie junge Gambier im Land zu halten. Mehrere Mitglieder haben bereits versucht, Europa ohne Papiere zu erreichen. Sie wurden erwischt und wieder in das westafrikanische Land zurückgeschickt. Einer von ihnen ist der 23-jährige Edrissa Sane. „Ich habe mehrmals versucht, Spanien mit dem Boot zu erreichen“, erzählt er. „Das hat nicht geklappt, weil wir geschnappt und zurück nach Gambia gebracht wurden.“
Seit er sich der Organisation angeschlossen hat, will Sane keine so riskanten Reisen mehr unternehmen. „In ein paar Monaten verdiene ich hier etwa 1.000 Dollar“, sagt er. „Das reicht mir und ist auf jeden Fall besser, als mein Leben auf dem Meer in Gefahr zu bringen.“ Sane bedauert es, dass er nicht schon viel früher Bauer geworden ist.
„Operation No Back Way to Europe“ arbeitet nach Angaben ihres Vorsitzenden Bubacarr Jabbi mit der Einwanderungsbehörde und der Polizei in Gambia zusammen, um junge Leute von einer illegalen Auswanderung abzuhalten.
Rückgang der illegalen Emigration
Im Laufe der Jahre sind mehr als 200 junge Gambier auf dem Seeweg nach Europa ums Leben gekommen. Es gab Zeiten, da wagten jährlich bis zu 600 Menschen den Versuch, das Land zu verlassen. Nach Daten der gambischen Behörden wurden 2010 und 2011 jedoch nur noch 60 aufgegriffen.
Nach Ansicht von Jabbi müssen die jungen Leute über alle möglichen Konsequenzen der illegalen Auswanderung informiert werden. Inzwischen haben sich seiner Vereinigung junge Bauern aus allen Teilen des Landes angeschlossen.
Auf etwa 2.000 Hektar bauen 50 Farmer die Reissorte „New Rice for Africa“ (NERICA) an, die auch in trockenen Regionen gedeiht. Weitere 1.000 Hektar Staatsland sind an andere Bauern verpachtet worden. Die Organisation hat ihnen für September eine üppige Ernte von rund 4.500 Tonnen NERICA vorhergesagt.
Zurzeit sind in Gambia nur 100 Reisfarmer registriert, die jährlich zwischen 10.000 und 15.000 Tonnen produzieren. Gambia, das kleinste Land der Sahel-Zone, befand sich im vergangenen Jahr mitten in einer Ernährungskrise: Im März sah sich die Regierung aufgrund einer Missernte im Vorjahr gezwungen, den nationalen Notstand auszurufen. Damals hatte etwa die Hälfte der rund 1,4 Millionen Gambier nicht genug zu essen.
Einem Bericht des UN-Entwicklungsprogramms UNDP zufolge verzeichnete das Land 2011 in jenem Jahr einen Rückgang der Nahrungsproduktion um fast 70 Prozent. 19 der 39 Distrikte in ländlichen Regionen waren von Regenmangel betroffen. Die Reisernte ging um 74 Prozent zurück.
Das Büro der UN-Ernährungsorganisation FAO in Banjul prognostiziert Gambia eine zunehmende Anfälligkeit für Ernährungskrisen. Vor allem die Bauern müssten sich auf eine längere Durststrecke einstellen, weil ihre Einkommen und die eigenen Lebensmittelvorräte abnähmen. Im Verlauf des letzten Jahres sind zudem die Preise für Grundnahrungsmittel explodiert. Viele Menschen in Gambia können sich einen 50-Kilo-Sack Reis zum Preis von fast 33 US-Dollar nicht mehr leisten. Vorher mussten sie dafür 20 Dollar bezahlen.
Landwirtschaft ausbaufähig
Etwa 70 Prozent der Bevölkerung bietet die Landwirtschaft eine Existenzgrundlage. Der Sektor trägt allerdings nur zu 32 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei. Ungefähr die Hälfte des etwa 10.000 Quadratkilometer großen Staatsgebietes ist urbares Land, doch nur auf einem Fünftel wird tatsächlich Ackerbau betrieben. Doch der Regierung zufolge ist und bleibt die Landwirtschaft die beste Waffe gegen die Armut.
Nach Ansicht des Direktors für Landwirtschaft der Zentralen Flussregion, Ousman Jamineh, ist der Erfolg von ‚Operation No Back Way to Europe‘ auch der Unterstützung des Gambischen Nothilfe-Agrarproduktionsprojekts (GEAPP) zu verdanken. Das von der Europäischen Kommission finanzierte Projekt, das von der gambischen Regierung geleitet wird, hat Bauern in zehn armen Distrikten kostenlos Rotorfräsen, Traktoren, Dresch- und Sämaschinen, Hacken und Düngemittel zur Verfügung gestellt.
Ceesay hofft derzeit auf eine gute Ernte. Er schätzt, dass dieses Jahr mehr als 300 Säcke mit je 50 Kilo Reis zusammenkommen werden. Das wäre ein Drittel mehr als 2011. (Ende)
Titelbild: Reis ist ein Grundnahrungsmittel in Gambia (Foto: Agarianna76/Shutterstock.com)