Von Ray Mwareya and Deogracias Kalima, Africa Renewal* | 10. März 2021
Lunzu (AR/afr). Auf den Straßen von Lunzu im Süden von Malawi ist der Lärm der Motorradtaxis allgegenwärtig. Die Flitzer, die überwiegend aus China stammen, werden ausschließlich von Männern gelenkt. Doch das eigentliche Geschäft machen Frauen.
Das Fahren von Motorradtaxis ist in Malawi reine Männersache. Frauen aus der 17.000-Einwohner-Stadt Lunzu ziehen allerdings die Fäden im Transportgeschäft auf den motorisierten Zweirädern: Sie kaufen die Motorräder an und vermieten sie dann an männliche Fahrer.
Die Vermietung ist ein gutes Geschäft. „Der Deal ist, dass wir 65 Prozent der Tageseinnahmen behalten – der Rest bleibt dem Fahrer“, sagt Sarah Showe. Sie ist eine 40 Unternehmerinnen, die sich im „Lunzu Women’s Motorcycle Club“ organisiert haben.
Motorrad-Clubs in Frauenhand
Dass Frauen in Malawi selbst keine Motorradtaxis lenken – das hat mit traditionellen Rollenbildern und mit geschlechtsspezifischer Gewalt zu tun. Laut einer Studie wird ein Drittel aller malawischen Frauen im Alter zwischen 15 und 49 Jahren Opfer von sexuellem Missbrauch.
„In gesellschaftlicher Hinsicht ist es zutiefst verpönt, dass Frauen Motorradtaxis lenken und an Taxiständen mit Männern um Passagiere buhlen“, sagt Sarah Showe. Und erzählt, wie es ihrer Freundin Lomu Thomsonu ergangen ist. Die Lehrerin wollte sich sich über die Normen hinwegzusetzen und Motorräder auch an Frauen vermieten. „Die Lenkerinnen wurde von Kunden beleidigt“, erzählt Showe, „und in der Nacht weigerten sich männliche Fahrgäste, für den Transport zu zahlen.“
2017 hatten dann einige Frauen die Idee, den „Lunzu Women’s Motorcycle Fund Club“ ins Leben zu rufen. Das Geschäftsmodell findet bereits einige Nachahmerinnen, wie Carter Mavhiza bestätigt: „In der Nachbarstadt Blantyre mit ihren 800.000 Einwohnern gibt es mittlerweile zehn solcher Clubs mit jeweils 40 Mitgliedern.“ Mavhiza ist Buchhalter und unterstützt Frauenclubs dabei, faire Preise beim Ankauf der Motorräder zu erzielen.
Willkommener Zusatzverdienst
In Lunzu sind täglich hunderte Motorradtaxis unterwegs. Sie befördern alles, was am Sozius Platz hat: von Bankangestellten im Anzug über Schulkinder bis hin zu Möbeln und Zementsäcken.
Das Geschäft läuft auch deshalb gut, weil der städtische Verkehr von Lunzu schlecht entwickelt ist. „Die Frauen füllen eine kritische Lücke“, sagt Mavhiza. „Hier in Lunzu haben wir kein richtiges Bussystem, auch digitale Taxi-Plattformen wie etwa Uber fehlen.
Für die meisten Unternehmerinnen bringt die Vermietung von Motorradtaxis für ein lukratives Zusatzeinkommen, das sich obendrein gut mit anderen Aktivitäten verbinden lässt. So kann sich die Bäuerin Chifundo Magombo tagsüber um ihre Landwirtschaft und ihre Kinder kümmern. Das Geschäft mit den Motorrädern läuft parallel – die meisten Männer bringen die Bikes erst am Abend zurück.
Die Lehrerin Lomu Thomsonu sieht in der neuen Einkommensquelle vor allem eine Altersvorsorge. „Ich werde eine Rente in Höhe von 7.000 Euro erhalten – das reicht nicht einmal für zwei Jahre“, meint Thomsuno. „Daher halte ich es für einen klugen Schachzug, jetzt in Motorräder zu investieren.“
Öffentliche Unterstützung
Einige Kommunalverwaltungen in Malawi unterstützen die Frauenclubs in ihrem Geschäft. So organisiert etwa die Bezirksverwaltung von Mchinji Darlehen zwischen 250 und 779 US-Dollar.
„Wir beraten die Frauen und verfassen Referenzschreiben, damit sie zinsgünstige Kredite von privaten Finanziers erhalten können“, sagt Mwaimuna Mwanyali, Stadträtin der gleichnamigen Bezirkshauptstadt Mchinji. „Auf diese Weise fördern wir die Gleichstellung der Geschlechter in der Motorradtaxi-Branche. Die Einkommen von Frauen werden gestärkt, außerdem sind Frauen bei der Rückzahlung von Krediten zuverlässiger.“
In so mancher Stadt hat die Gründung der Motorrad-Clubs dazu geführt, dass mittlerweile mehr Frauen als Männer Gewerkschaften angehören. „Während Männer die Gewerkschaften weitgehend meiden, haben wir in unserer Stadt bereits 200 Frauen, die gewerkschaftlich engagiert sind“, erzählt Stacy Harawa, Präsidentin der „Mzuzu Motorcycle Union“ in der Stadt Mzuzu im nördlichen Malawi.
Für eine Monatsgebühr in Höhe von zehn US-Dollar erhalten Mitglieder eine Unfallversicherung. „Wir beantragen außerdem bei der Steuerbehörde eine Reduktion der Lizenzgebühren, wenn die Unternehmerinnen einer registrierten Gewerkschaft angehören“, so Harawa weiter.
Für Sarah Stowe hat sich das Leben entscheidend verbessert, seitdem sie in das Geschäft mit dem Motorradtaxis eingestiegen ist. „Es fühlt sich super an, Männer zu beschäftigen“, lacht sie. „Ich schaffe jetzt Arbeitsplätze und haben sogar meinen Neffen als Fahrer engagiert. Das Blatt hat sich gewendet.“ (Ende)
*Ray Mwareya und Deogracias Kalima sind Mitarbeiter unseres Partnermagazins Africa Renewal der Vereinten Nationen.
Titelbild: Motorradtaxis in Lunzu warten auf Fahrgäste – viele der Motorräder sind im Besitz von Frauen. (Foto: Ray Mwareya und Deogracias Kalima/AR)