Von Sylvie Djacbou Deugoue* | 25. Mai 2022
Yaoundé (IPS/afr). Als wir unter dem Blätterdach des Regenwaldes im Kongobecken aufwuchsen, war der Wald mehr als nur unser Zuhause. Er war unser Spielplatz, unsere Apotheke, unser Lehrer, unser Therapeut. Mit seiner reichen Artenvielfalt war er eine Quelle der Lebensgrundlage. Und er half, uns vor den Auswirkungen des Klimawandels zu schützen.
Diese massive Entwaldung des Kongobeckens hat zur Enteignung indigener und lokaler Gemeinschaften von ihrem angestammten Land geführt. Die Folge davon sind erhöhte Kohlenstoffemissionen, Migration, das Verschwinden von Kultur und Sprache der indigenen Gemeinschaften sowie ein Anstieg der extremen Armut.
Der Regenwald im Kongobecken ist größer als der US-Bundesstaat Alaska und erstreckt sich über sechs zentralafrikanische Länder (DR Kongo, Republik Kongo, Kamerun, Äquatorialguinea, Gabun und Zentralafrikanische Republik). Nach Amazonien beheimatet das Kongobecken den zweitgrößten tropischen Regenwald der Welt.
Kürzlich hat der Weltklimarat den dritten Teil seines Sechsten Sachstandsbericht veröffentlicht. . Der Bericht macht deutlich, dass noch viel zu tun ist, um die Auswirkungen des Klimawandels zu begrenzen. Und der Wald im Kongobecken bildet in diesem Kampf eine der zentralen Frontlinien.
Der Weltklimarat warnt davor, dass das Klima zusammenbrechen wird, wenn nichts unternommen wird. Und: Dieses Szenario wird von einer Zunahme extremer Armut begleitet werden.
Umdenken der Regierungen gefordert
Vom 7. bis 18. November wird die UN-Klimakonferenz (COP 27) in Scharm asch-Schaich in Ägypten stattfinden. Wir erwarten uns dabei mehr Taten und weniger leere Versprechungen von Afrikas Führer*innen. Wir erwarten uns außerdem, dass die Jugend das Kommando übernimmt, wenn es darum geht, ihre Regierungen zur Rechenschaft zu ziehen.
Es ist wichtig, darüber nachzudenken, wie wir COP 27 dazu nutzen können, um die nationalen Regierungen – insbesondere jene des Kongobeckens – dazu zu bewegen, mit der gleichen Geschwindigkeit zu handeln, mit der sie ihre Zusagen zur Bewältigung der Klimakrise gemacht haben.
Denn das derzeitige wirtschaftliche Entwicklungsmodell im Kongobecken basiert auf massiver Entwaldung: Immer mehr großflächigen Flächen werden für den industrielle Anbau von Palmöl und Kautschuk konzessioniert.
Pro Minute werden zehn Fußballfelder gerodet
Der Verlust des Waldökosystems – und damit des geistigen und kulturellen Erbes der Gemeinschaft – ist unumkehrbar. Die tropischen Regenwälder des Kongobeckens werden vernichtet.
Die Auswirkungen sind nicht nur wirtschaftlicher Natur: Wenn Wälder abgeholzt werden, wird der darin gespeicherte Kohlenstoff als Kohlendioxid wieder in die Atmosphäre freigesetzt. Laut den jüngsten Daten von Global Forest Watch gingen allein im letzten Jahr 3,75 Millionen Hektar unberührter Regenwald verloren. Pro Minute wurde eine Fläche von zehn Fußballfelder gerodet.
Kamerun zum Beispiel hat im Jahr 2021 mehr als 80.000 Hektar seiner Primärwälder verloren, das entspricht einer Verdoppelung im Vergleich zum Jahr 2019. In der Demokratischen Republik Kongo waren es letztes Jahr sogar fast eine halbe Million Hektar – um 29% mehr als im Jahr 2020. Die Rodungen passieren nur deshalb, dass sich ein kleiner Teil der egoistischen Eliten daran bereichern kann.
Lebensgrundlage geht verloren
Bei diesem Tempo gibt es bald keine Möglichkeit mehr, den Waldverlust bis 2030 rückgängig zu machen, wie es die Staats- und Regierungschefs aus 141 Ländern auf dem letztjährigen UN-Klimakonferenz COP 26 in Glasgow versprochen haben.
Trotzdem gewährt Kamerun einem Unternehmen wie Camvert SA Steuerbefreiungen für die Umsetzung eines fast 60.000 Hektar großen Projekts zur Gewinnung von Palmöl. Dieses Projekt wird nicht nur zur Entwaldung, sondern auch zur Zerstörung der biologischen Vielfalt sowie zum Verlust der Lebensgrundlagen der Gemeinden führen. Damit werden die Menschen in extreme Armut geführt.
Ein Mitglied der Waldgemeinschaft erzählte mir: „Bevor diese Firma aktiv wurde, lebte ich vom Verkauf forstwirtschaftlicher Erzeugnisse – außer Holz. Auch im Krankheitsfall konnte ich im Wald natürliche Arzneimittel zur Behandlung finden. Jetzt gibt keinen Wald mehr, und wir sind uns selbst überlassen.“
Lokale Bevölkerung hat nichts von den Deals
Die angeblichen Vorteile der Deals zwischen Regierungen und Unternehmen kommen nicht bei der lokalen Bevölkerung an. Sie werden selten beschäftigt, wenn diese Konzessionen erteilt werden. Meine Nachforschungen haben gezeigt, dass Arbeiter*innen für konzessionierte Gebiete aus anderen Regionen des Landes rekrutiert werden. Selbst wenn lokale Arbeiter*innen eingestellt werden, erhalten sie nur einen Hungerlohn.
Die Industrieunternehmen prahlen oft damit, dass sie die Entwicklung durch den Bau von Straßen fördern. Dabei ist es aber wichtig zu beachten, dass diese Straßen hauptsächlich dazu dienen, Holz auf den Markt zu befördern.
Die Staaten im Kongobecken sind besonders anfällig: Laut Weltbank ist Kamerun weit davon entfernt ist, eine substanzielle Verringerung der Armut zu erreichen. Die Corona-Pandemie hat die Situation noch weiter verschlimmert.
Für die Demokratische Republik Kongo zeigte ein kürzlich erschienener Bericht, dass zwischen 2014 und 2020 mehr als zehn Millionen US-Dollar an Forstgebühren nicht an die Staatskasse gezahlt wurden.
Die Entwaldung befeuert den Klimawandel, und dieser wird die Armut weiter verschärfen. Der jüngste IPCC-Bericht schätzt, dass der Klimawandel allein im nächsten Jahrzehnt 32 bis 132 Millionen weitere Menschen in die extreme Armut treiben wird.
Gesunde Wälder für ein gesundes Leben
Ja, wir brauchen Entwicklung. Aber zu welchem Preis? Und wem soll diese Entwicklung zugute kommen? Der Schutz der Wälder ist eine Frage der Erhaltung der Lebensgrundlagen der lokalen Gemeinschaft und der Verringerung der Armut. Durch die Vergabe von immer mehr Forstkonzessionen an die Wirtschaft werden wir nicht reicher.
Wir brauchen alternative Entwicklungsmodelle, die das Wohlergehen indigener Gemeinschaften berücksichtigen und gesunde Wälder fördern. Die Nutzung der Weisheit und des Wissens der indigenen Bevölkerung schafft Chancen zur Entwicklung der Waldbewirtschaftung und sichert gleichzeitig das Land der Gemeinden. Dieser Weg trägt letztendlich auch dazu bei, die Klimaziele zu erreichen.
Wenn wir eine nachhaltige Entwicklung und die Beseitigung der Armut im Kongobecken wollen, muss die Entwaldung wirksam gestoppt. Es braucht die Umsetzung einer Klimapolitik, die soziale Gerechtigkeit und eine Beteiligung der Gemeinschaften an der Entscheidungsfindung gewährleistet.
Es ist an der Zeit, dass die verschiedenen politischen Akteure im Kongobecken mehr als ihre persönlichen wirtschaftlichen Interessen berücksichtigen. Sie müssen die langfristige Notwendigkeit – gesunde Wälder für ein gesundes Leben – stärker in Betracht ziehen. (Ende)
*Sylvie Djacbou Deugoue ist Waldschützerin bei Greenpeace Africa.
Titelbild: Der Sangha ist ein Nebenfluss des Kongo in der Republik Kongo. (Foto: Shutterstock.com)