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DRC versteigert halbes Land für Erdölsuche

Von Umar Manzoor Shah | 19. August 2025

Kinshasa (IPS/afr). Mit der Entscheidung, Suchlizenzen für Erdöl auf mehr als der Hälfte ihres Staatsgebiets zu versteigern, sorgt die Regierung der Demokratischen Republik Kongo (DRC) weltweit für Entsetzen. Umweltorganisationen warnen vor einem Desaster für das Klima, die Artenvielfalt und die Rechte indigener Gemeinschaften.

Laut einem neuen Report der Organisation Earth Insight mit dem Titel „Forests to Frontlines: Oil Expansion Threats in the DRC sollen 55 Explorationsblöcke mit insgesamt 1,24 Millionen Quadratkilometer für die Suche nach Erdöl freigegeben werden. Das entspricht über 50 Prozent des Staatsgebiets des zentralafrikanischen Landes.

Schutzgebiete im Visier

Besonders brisant ist, dass die betroffenen Gebiete zentrale ökologische Funktionen erfüllen: Über 66 Millionen Hektar intakter Regenwald – das sind 64 Prozent der verbliebenen Wildnisgebiete der DR Kongo – liegen in den geplanten Blöcken. 83.000 Quadratkilometer Schutzgebiete sowie 86.000 Quadratkilometer biodiversitätsrelevante Schlüsselareale überschneiden sich mit den zur Versteigerung freigegebenen Flächen.

Der Großangriff auf die Natur kommt überraschend: Noch Anfang des Jahres sorgte die angekündigte Schaffung des Grünen Korridors zwischen Kivu und Kinshasa international für Anerkennung. 

Nun jedoch sollen 72 Prozent dieser Vorzeige-Naturschutzfläche für die Erdölsuche freigegeben werden. „Dies ist ein Verrat an den Rechten der Gemeinschaft, dem Klimaschutz und den Versprechungen zum Schutz der Artenvielfalt“, kritisiert Emmanuel Musuyu von der zivilgesellschaftlichen Organisation CORAP.

„Cuvette Centrale“ als CO₂-Zeitbombe

Mit großer Sorge blicken Naturschützer*innen dabei insbesondere auf die “Cuvette Centrale”. Im größten Torfmoor der Welt sind rund 30 Milliarden Tonnen Kohlenstoff gespeichert – bei Freisetzung würde dies den globalen CO₂-Emissionen von drei Jahren entsprechen.

Bohrungen, Straßenbau und andere Explorationsaktivitäten könnten das empfindliche Feuchtgebiet austrocknen und so zu einer massiven Emission von CO₂ und Methan führen. „Die Cuvette Centrale ist eine der größten terrestrischen Kohlenstoffsenken der Erde – ihre Zerstörung wäre eine globale Katastrophe“, warnt Tyson Miller von Earth Insight.

Aber auch aus sozialer Perspektive ist das Vorhaben bedenklich: Rund 39 Millionen Menschen – mehr als ein Drittel der Bevölkerung – leben in den betroffenen Regionen. 

Besonders betroffen wären die sogenannten Gemeinschaftswälder, die von lokalen Bevölkerungsgruppen bewirtschaftet werden und eigentlich dem Schutz vor industrieller Ausbeutung dienen. 63 Prozent dieser Wälder liegen jedoch innerhalb der geplanten Blöcke. Eine Erdölförderung würde sowohl nationale Gesetze als auch das Selbstbestimmungsrecht indigener Gruppen  verletzen.

Muanda als abschreckendes Beispiel

Zwar verspricht die Regierung wirtschaftlichen Aufschwung – doch Erfahrungen aus dem einzigen bestehenden Ölfördergebiet des Landes, der Küstenstadt Muanda am Atlantik, zeichnen ein anderes Bild: Die Region gehört nach wie vor zu den ärmsten der DR Kongo, während Umweltschäden, Krankheitsbelastungen und soziale Verwerfungen zunehmen. 

„Muanda ist die am wenigsten entwickelte Ölstadt der Welt“, beklagt Einwohner Alphonse Khonde. „Wir atmen vergiftete Luft, unsere natürlichen Lebensgrundlagen sind verschwunden, und es gibt keine medizinische Versorgung.“

Der Widerstand innerhalb des Landes wächst: Unter dem Motto „Our Land Without Oil“ mobilisiert ein Bündnis von inzwischen über 150 zivilgesellschaftlichen Gruppen mit Protestmärschen und Aktionswochen gegen die Pläne. 

Kampagnenkoordinator Pascal Mirindi fasst die Position drastisch zusammen: „Wir haben die Wahl: Wir schaufeln mit Erdöl unser eigenes Grab oder bauen eine lebenswerte, würdige und souveräne Zukunft.“ (Ende)

Titelbild: Der Salonga National Park in der DR Kongo aus der Luft (Foto: Flickr, USAID Democratic Republic of Congo, Cody Pope, CC BY-NC-2.0)