Von Kizito Makoye | 12. Dezember 2024
Moshi (IPS/afr) – Es war ein glühend heißer Nachmittag in Moshi in Tansanias Kilimanjaro-Region, als Mwajuma Rashid Njau und Mumii Rajab fassungslos vor ihren Feldern standen: Ihre Süßkartoffeln waren von Schädlingen vernichtet worden. Die Hilflosigkeit gehört nun der Vergangenheit an – dank einer App.
Njau und Rajab sind zwei von über 300 Farmer*innen in Tansania, die eine App namens “Kiazi Bora” (“Gute Kartoffel” auf Kiswahili) benutzen. Die Anwendung wurde speziell für Bauern und Bäuerinnen entwickelt, um sie optimal beim Anbau von orangefarbenen Süßkartoffeln (OFSP, orange-fleshed sweet potatoes) und der Schädlingsbekämpfung zu unterstützen. OFSP sind ein mit Beta-Carotin angereichertes Nahrungsmittel, das den Vitamin-A-Mangel in afrikanischen Ländern bekämpfen soll.
„Diese App hat alles verändert“, sagt die 38-jährige Njau mit einem müden, aber hoffnungsvollen Lächeln. „Ich wusste nicht, wo ich anfangen sollte, aber jetzt schaue ich einfach auf mein Telefon, und es sagt mir genau, was ich tun soll.“
Sprache als Erfolgsfaktor
Die hohe Akzeptanz der App basiert vor allem auf der hochmodernen KI-Sprachtechnologie. Denn während ähnliche Anwendungen sich oft in Englisch an ihre Nutzer*innen wenden, liefert “Kiazi Bora” klare Anweisungen in der tansanischen Nationalsprache Kiswahili. „Die App spricht mit mir in einer Sprache, die ich deutlich verstehe“, bestätigt Njau.
Hinter der App steht die gemeinnützige Organisation SEE Africa mit Sitz in Arusha. “Kiazi Bora” stellte das Entwicklungsteam allerdings vor große Herausforderungen. Laut UNESCO zählt Kiswahili zwar zu den zehn größten Sprachen der Welt und wird von mehr als 200 Millionen Menschen gesprochen. Dennoch standen nicht genügend hochwertige Sprachdaten zur Verfügung, um die KI zu trainieren.
Um das Problem zu lösen, wandte sich das Team von SEE Africa an die Mozilla Foundation, die seit dem Jahr 2017 das Crowdsourcing-Projekt Common Voice betreibt. Das Projekt will KI-Anwendungen in unterrepräsentierten Sprachen zugänglich machen.
EM Lewis-Jong ist die Produktdirektorin von Mozilla Common Voice. Sie erklärt, dass das Projekt auf die Kraft der Community setzt: „Wir verwenden ein Crowdsourcing-Modell, bei dem die Leute freiwillig ihre Sprachdaten beitragen“, sagt Lewis-Jong. „Dadurch wird sichergestellt, dass die Daten die wahre Vielfalt der Sprache widerspiegeln, einschließlich unterschiedlicher Akzente und Dialekte.“
Der Mozilla Foundation geht es auch darum, dass Sprachen nicht auf dem Altar von Vermarktungsinteressen geopfert werden. „Wenn die Datenerstellung gewinnorientierten Unternehmen überlassen wird, werden viele Sprachen der Welt auf der Strecke bleiben“, ist Lewis-Jong überzeugt. „Wir wollen eine Welt, in der die Menschen die Daten erstellen können, die sie brauchen, und ihre Sprache so erfassen, wie sie sie erleben.“
App als Gamechanger
Für die 42-jährige Farmerin Rajab ist die App jedenfalls ein Gamechanger. „Früher fühlte ich mich machtlos“, erinnert sie sich. „Wenn die Schädlinge kamen, musste ich einfach zusehen, wie meine Ernte vernichtet wurde. Jetzt kann ich mich wehren.“
Sowohl Njau als auch Rajab haben dank der App ihren Lebensunterhalt deutlich verbessern können. In nur einem Jahr stieg ihr Einkommen von null auf 127 USD pro Monat. So lernten die beiden Frauen etwa, wie sie Süßkartoffeln zu Mehl und Gebäck weiterverarbeiten können. Mit diesen Produkten erzielen sie auf den lokalen Märkten weitaus bessere Preise als mit den Knollen.
Das zusätzliche Einkommen ermöglicht es ihnen, für ihre Familien zu sorgen, in ihre Farmen zu investieren und sich eine bessere Zukunft zu sichern. „Mit dem Geld, das ich verdient habe, konnte ich meine Kinder zur Schule schicken und sogar etwas für Notfälle sparen“, sagt Njau.
Njau nennt die App liebevoll ihre “Lehrerin”. Warum das? “Ich habe nie eine Schule abgeschlossen, aber diese App hat mir alles beigebracht, was ich über Landwirtschaft wissen muss. Sie ist wie eine Lehrerin, die immer da ist, wenn ich sie brauche.”
Rajab teilte ihre Begeisterung für die App rasch mit ihren Verwandten. „Ich erzählte meiner Schwester davon und jetzt baut sie auch OFSP an. Ihre Kinder sind gesünder, und sie verdient jetzt auch Geld mit dem Verkauf von Süßkartoffelmehl“, sagt sie stolz. (Ende)
Titelbild: Kleinbäuerinnen in der Kilimanjaro-Region bei der Ernte von Süßkartoffeln (Foto: Kizito Makoye/IPS)