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Boxerinnen wollen nach oben

Von Amy Fallon | 9. Oktober 2013

Kampala (IPS/afr). Helen Baleke boxt seit ihrem 16. Lebensjahr – seit sie im Katanga-Slum in der ugandischen Hauptstadt Kampala von einem Mann angegriffen wurde. Der Vorfall hat sie zu dem gemacht, was sie heute ist: eine der wenigen weiblichen Amateurboxerinnen des ostafrikanischen Landes. Jetzt träumt sie von einer Teilnahme bei Olympischen Spielen.

„Er schlug so fest zu, dass ich heulen musste und Blut aus meiner Nase tropfte“, erinnert sie sich. „Ich kam aus einem Dorf im Bezirk Kayunga, war selbstbewusst und hätte mir nie im Leben vorgestellt, einmal geschlagen zu werden“, berichtet die junge Frau, die in Katanga mit 23 Familienmitgliedern unter einem Dach lebt.

Die inzwischen 24-Jährige hat schon immer gern gekämpft, wie sie in der Lokalsprache Luganda erklärt. Als sie im örtlichen „Rhino-Box-Klub“ erschien, trainierten dort ausschließlich Männer. Um ihr dabei zu helfen, die Gewalterfahrung zu überwinden, erließen ihr die Manager die Aufnahmegebühr in Höhe von acht US-Dollar.

Nach drei Wochen Training suchte sie ihren Angreifer und packte ihn am Kragen. „Ich wollte ihm einfach nur zeigen, dass ich mich gut selbst verteidigen kann“, erläutert Baleke. Inzwischen hat sie an 14 Boxkämpfen in Uganda und Kenia teilgenommen und drei Medaillen gewonnen.

Baleke und ihre 20-jährige Halbschwester Diana Tulyanabo gehören zusammen mit Agnes Adong, Hawa Daku, Eva Zalwango und Fiona Tugume zu den vielversprechenden Boxerinnen ihres Landes. Alle sechs bewerben sich derzeit als erste Frauen um die Aufnahme in Ugandas Profiboxer-Kommission (UPBC), wie deren Vizedirektor Salim Saad Uhuru berichtet.

Talente für die Olympiade schulen

Uhuru, stellvertretender Parteivorsitzender der regierenden Nationalen Widerstandsbewegung, hat keinen Zweifel daran, dass Ugandas Boxerinnen mit der richtigen Förderung Großes leisten können. „Sie könnten an der Olympiade teilnehmen“, sagte er. „Wir werden sie zu Bestleistungen bringen.“

Der Sportfunktionär kritisiert jedoch, dass die Möglichkeiten der Athletinnen durch die verbreitete Korruption erheblich eingeschränkt sind. Ihn erbost besonders, dass die Beamten des Sportministeriums mehr verdienen als die Spitzensportler des Landes. Im letzten Jahr hatten 16 ugandische Athleten an den Olympischen Spielen teilgenommen.

https://www.youtube.com/watch?v=GyUal074oc8
Einblicke in den Lebens- und Trainingsalltag von Helen Baleke

Doch die Boxerinnen aus dem 20.000 Menschen zählenden Katanga-Slum haben vor allem mit existenziellen Problemen zu kämpfen. „Frühe Schwangerschaften und sexuelle Übergriffe sind verbreitet“, meint Juliet Segujja, die ehrenamtliche Leiterin des Kampala-Kinder-Klubs, der im Slum aktiv ist.

Die 23-jährige Nakilyowa ist alleinerziehende Mutter und hat vier Kinder zu versorgen. Baleke und ihre Schwester sammeln Bananenschalen, die ihre Mutter in Katanga als Tierfutter für einen Dollar pro Kiste verkauft. Doch allen Widrigkeiten zum Trotz träumen sie alle davon, eines Tages für ihr Land olympisches Gold zu holen.

Ugandas männliche Boxer hingegen feiern bereits internationale Erfolge. Kassim Ouma hat es schon zum Weltmeister im Mittelgewicht des Internationalen Boxverbands gebracht, und Joseph Lubega holte bei Commonwealth-Spielen Silber. John „das Tier“ Mugabi und Eridad Mukwanga erkämpften sich bei Olympiaden Silbermedaillen, während Leo Rwabwogo Bronze mit nach Hause brachte.

Traumziel Olympia

Doch bisher hat es keine einzige Boxerin Ugandas zu den Olympischen Spielen geschafft. Die in Kanada lebende Weltergewichtkämpferin Natalie ‚Sugar‘ Brown, die nie in Afrika gewesen ist und auch nicht mit einer ugandischen Boxerin zusammengekommen ist, will dies ändern. Sie wird noch in diesem Jahr als Mentorin von Baleke und Tulyanabo im Rahmen des ‚Kampala-Boxerinnen-Projekts‘ nach Uganda kommen.

Das Projekt wurde von Lori Steinhorst, der Vorsitzenden der beiden in Washington ansässigen Verbände „Bad Girls Boxing“ und „Classic Women Warriors“ ins Leben gerufen. Ziel ist es, Ugandas Boxerinnen mit US-amerikanischen Boxerinnen zusammenzubringen, um sie auf die Teilnahme an der Olympiade 2016 vorzubereiten. „Ich möchte den Boxerinnen in Uganda alles beibringen, was ich innerhalb und außerhalb des Rings gelernt habe“, sagt sie im Gespräch mit IPS.

Brown und Steinhorst werden zusammen mit Mary „Merciless“ McGee, einer ehemaligen US-Leichtgewicht-Titelverteidigerin, nach Uganda reisen, um diejenigen Frauen auszuwählen, deren Boxfähigkeiten weiter entwickelt werden sollen.

Brown, McGee und Steinhorst haben die ehemalige Boxweltmeisterin Laila Ali, Tochter der Boxlegende Muhammad Ali, mit ins Boot geholt. „Wir wissen noch nicht, ob Baleke and Tulyanabo das Zeug haben, um an den Olympischen Spielen teilzunehmen. Wir werden hinfahren, um das herauszufinden“, betont Steinhorst.

Training in den USA

Sollten sich ihre Erwartungen an die ugandischen Athletinnen erfüllen, werden sie versuchen, Gelder aufzutreiben, um die Hoffnungsträgerinnen in den USA unter den besten Bedingungen zu trainieren. Baleke, Tulyanabo, Nantale und Nakilyowa besitzen jeweils nur ein Paar Boxhandschuhe, die sie mit Spendengeldern bezahlt haben. Einen Mundschutz besitzen sie nicht. Da ihnen die professionelle Sportausrüstung fehlt, beschränken sie sich in der Regel auf Schattenboxen.

Was sich als ebenso hinderlich für ihre Karriere auswirkt, ist der Mangel an passenden Herausfordererinnen, an denen sie sich messen können. „Wir vermissen zuverlässige Gegnerinnen“, bestätigt Baleke, die im letzten Jahr an keinem Kampf teilgenommen hat und nun versucht, Geld für die Teilnahme an einem Kampf im kenianischen Mombasa aufzutreiben.

„Es kommt immer wieder vor, dass wir bereit sind, in den Ring zu steigen, dann aber unsere Gegnerinnen nicht auftauchen. Das ist sehr entmutigend“, meint sie. „Ich will an Profikämpfen teilnehmen, denn ich muss wissen, ob ich wirklich das Talent zur Weltmeisterin habe.“ (Ende)