Interview von Raphael Obonyo, Africa Renewal* | 12. Juni 2023
Nairobi (AR/afr). Elizabeth Marami ist die erste Kenianerin, die als Chefoffizierin an Bord eines Kreuzfahrtriesen dient. Darüber hinaus kämpft die 34-Jährige mit ihrer „Against the Tide Foundation“ um eine stärkere Wahrnehmung von Frauen in der Seefahrt.
In ihrem Heimatland Kenia ist Elizabeth Marami zu einem Vorbild für Frauen geworden, die in ihren eigenen Weg gehen wollen: Marami hat 2017 als erste Kenianerin die Ausbildung zur Seelotsin absolviert. Im Jänner 2023 erhielt sie – wiederum als erste Frau aus Kenia – die Zertifizierung zum „Chief Mate Unlimited/3000GT“ nach UK-Standard. Das Zertifikat bescheinigt Maramis uneingeschränkte Eignung als Chefoffizierin. Außerdem darf sie Schiffe bis zu einer Bruttoraumzahl von 3.000 kommandieren.
Seit kurzem ist Elizabeth Marami als Erste Offizierin an Bord des Kreuzfahrtriesen „Celebrity Beyond“ auf den Weltmeeren unterwegs. Das Schiff hat eine Bruttoraumzahl von 140.660 und ist 326,5 Meter lang. 3.260 Passagiere und 1.416 Mitarbeiter*innen finden darauf Platz.
Im Dienstrang über Marami steht ebenfalls eine Frau: Kapitänin der „Celebrity Beyond“ ist die US-Amerikanerin Kate McCue, die in Social Media eine Millionen-Schar von Follower*innen hat.
Raphael Obonyo von „Africa Renewal“ hat mit Elizabeth Marami über ihren Lebensweg und ihre Erfahrungen in einem männerdominanten Beruf gesprochen.
Wo sind Sie geboren und welchen Bildungshintergrund haben Sie?
Elizabeth Marami: Ich bin in der kenianischen Hafenstadt Mombasa geboren und aufgewachsen. Dort besuchte ich die „Loreto Convent Primary School“ und dann die „Mama Ngina Girls High School“. Nach der High School absolvierte ich einen Bachelor of Science in nautischen Systemen an der „Arab Academy for Science, Technology & Maritime Transport“ in Alexandria, Ägypten.
Ich habe außerdem ein Higher National Diploma (HND) in Nautik von der „Warsash Maritime Academy“ im Vereinigten Königreich. Derzeit schließe ich meinen Master in Betriebswirtschaftslehre an der Universität Nairobi in Kenia ab.
Wie sind Sie in Ihre Branche gekommen?
Elizabeth Marami: Da ich auf der Insel Mombasa aufgewachsen bin, habe ich immer Schiffe beobachtet, die im Hafen ein- und ausliefen. Aber ich hätte mir nie vorstellen können, an Bord zu arbeiten. Ich glaubte, die Jobs sind Männern vorbehalten.
Als ich 2009 nach dem Abitur ein Stipendium für das Studium in Ägypten bekam, hatte ich keine Ahnung von Nautik. Aber ich wusste immer, dass ich die Erste in etwas sein wollte, und das war ich dann auch.
Freunde und Verwandte versuchten, auf meine Familie einzuwirken und von meiner Idee abzubringen. Ich erinnere mich aber noch gut daran, wie mir eines Tages mein Vater sagte, es sei meine Entscheidung. Am nächsten Tag fuhr ich mit meiner Mutter im Bus nach Nairobi, um meine Zulassung zum Jurastudium an der Universität Nairobi zu verschieben. Seitdem habe ich nicht mehr nach hinten geblickt.
Hatten Sie nicht Bedenken, dass die Seefahrt von Männern dominiert wird?
Elizabeth Marami: Ja, die hatte ich, aber ich bin in einer Familie mit drei Mädchen und einem Jungen aufgewachsen. Geschlechterrollen waren also nie ein Thema, über das wir gesprochen haben. Es war für uns alle normal, die Fernsehantenne zu reparieren, das Auto zu waschen und alle anderen Hausarbeiten zu erledigen.
Geschlechterrollen existierten in meinem Kopf nicht, und diese Mentalität habe ich in die Branche mitgenommen. Ich wusste nur, dass ich meine Arbeit erledigen muss. Und hier stehe ich heute, immer noch dieselbe, vergrabe mich in der Arbeit und versuche dafür zu sorgen, dass ich sie als einen besseren Ort für die jungen Mädchen hinterlasse, die nach mir kommen werden.
Ich pflanze jetzt einen Baum, in dessen Schatten ich vielleicht nie sitzen werde – das ist mein Einsatz für eine 50:50-Geschlechteraufeilung in der maritimen Wirtschaft.
Wie würden Sie Ihren bisherigen Karrierefortschritt beurteilen?
Elizabeth Marami: Wenn ich daran zurückdenke, als ich 2009 in Ägypten zum ersten Mal aufs College ging, bin ich froh. Ich habe einige Chancen genutzt und habe das Gefühl, dass das Wissen, die Fähigkeiten und die Erfahrung, die ich mir im Laufe der Jahre angeeignet habe, mich weiterhin voranbringen. Insgesamt bin ich mit meinem beruflichen Werdegang zufrieden.
Wie sieht Ihre tägliche Arbeit aus?
Elizabeth Marami: Dabei handelt es sich in erster Linie um das, was wir „Wachdienst“ nennen. Das bedeutet einfach, dass ich während meiner Wache – also zwischen 8:00 und 12:00 Uhr und zwischen 20:00 und 24:00 Uhr – dafür verantwortlich bin, das Schiff sicher zu steuern.
Zu meinen weiteren Aufgaben gehören die Gewährleistung der Einhaltung von Sicherheits- und Umweltvorschriften, die Berichterstattung über wichtige Ereignisse, die Befolgung von Navigationsrichtlinien und -verfahren und die Einhaltung angemessener Ruhezeiten.
Außerdem unterstütze ich den Sicherheitsbeauftragten bei der Wartung der Sicherheitsausrüstung, bei der Durchführung von Sicherheitsschulungen und bei der Durchführung von Stabilitätsberechnungen.
Was machen Sie, wenn Sie nicht auf See sind?
Elizabeth Marami: Ich verbringe meine Freizeit damit, an Geschichten von Seefahrerinnen zu arbeiten. Außerdem lese ich viel über die maritime Industrie. Ich versuche Wege bzw. Lösungen zu finden, wie man angehende junge Seeleute unterstützen kann.
Welchen Rat würden Sie Mädchen und Frauen im Allgemeinen geben, die in die maritime Industrie einsteigen möchten?
Elizabeth Marami: Mach es einfach! Die Veränderung ist hier, du bist die Veränderung. Nichts ist unmöglich. Glaube an dich selbst und strebe danach, das Beste aus dir herauszuholen. Es ist alles eine Lernkurve. Niemand wurde geboren, um alles richtig zu machen.
Die Tatsache, dass Sie in Ihrer Karriere Pionierarbeit geleistet und Erfolg gehabt haben, ist beeindruckend. Gab es auf dem Weg dorthin Herausforderungen und wie haben sie diese gemeistert?
Elizabeth Marami: Ich möchte nicht beschönigen, dass die Reise einfach war. Absolut nicht! Zu Beginn war ich mit vielen Absagen konfrontiert, aber ich wusste, dass ich einsteigen und eine Veränderung bewirken musste – also war Aufgeben keine Option.
Ich hätte sicherlich nie gedacht, dass ich einmal auf Kreuzfahrtschiffen arbeiten würde. Ich habe Fotos von mir mit Kreuzfahrtschiffen im Hintergrund gemacht, da ich damals sicher war, dass sie niemanden wie mich einstellen würden.
Dann bewarb ich mich eines Tages um eine Stelle beim gemeinnützigen „Marine Stewardship Council“ und bekam sie. Ich dachte dann, ich würde auf ihren Frachtschiffen arbeiten, da dies meinem Hintergrund und meiner Erfahrung entsprach, aber am Ende wurde mir ein Job auf Kreuzfahrtschiffen angeboten.
Da sagte ich zur mir: „Das ist es, Liz, es ist deine Zeit zu glänzen.“ (Ende)
*Raphael Obonyo ist Politikanalyst und Journalist aus Kenia. Der englischsprachige Originalbeitrag ist im Juni 2023 in unserem Partnermagazin Africa Renewal der Vereinten Nationen erschienen.
Titelbild: Elizabeth Marami auf der Brücke (Foto: Africa Renewal)