Von Ed McKenna | 15. April 2013
Addis Abeba (IPS/afr). Große Bambusvorkommen und reichlich fließende ausländische Direktinvestitionen machen Äthiopien nach Ansicht der Regierung zu einem Vorreiter bei der Expansion der industriellen Nutzung von Bambus. „Äthiopien hat die Rohstoffe, die Investitionen und eine sich rasch entwickelnde Fertigungsindustrie“, sagte der äthiopische Vizelandwirtschaftsminister Mitiku Kassa.
„Bambusprodukte werden bei uns stark aus dem Ausland nachgefragt“, so Kassa weiter. „Alle Voraussetzungen sind somit vorhanden. Das Wachstum des afrikanischen Bambussektors hat begonnen.“ Äthiopien besitzt von allen afrikanischen Ländern die größte Fläche mit bisher kommerziell nicht genutztem Bambus, nämlich eine Million Hektar. Deshalb ist Äthiopien attraktiv für Investoren aus der Bambusindustrie. Das Agrarministerium wollte keine Zahlen zu dem Wirtschaftszweig herausgeben, wies aber darauf hin, dass der Sektor formell erst seit dem vergangenen Jahr besteht.
„Das Vermarktungspotenzial von Bambus in Europa ist enorm. Wir sind überzeugt, dass wir hier bei uns eine zuverlässige und effiziente Lieferkette für einen eigenen Industriezweig schaffen können“, meinte Felix Boeck von „African Bamboo PLC“, einer öffentlich-privaten Partnerschaft mit äthiopischen Partnern, die von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) gefördert wird.
Im Rahmen der Partnerschaft sollen in den nächsten fünf Jahren zehn Millionen Euro in den Sektor investiert werden. Qualitativ hochwertiger Bodenbelag aus Bambus soll in die EU und in die USA verkauft werden. Das Unternehmen will bis 2014 rund 100.000 Quadratmeter Bambusböden exportieren und diese Menge bis 2016 verfünffachen.
Bambusböden auch in Europa begehrt
„Für die Holzindustrie ist der am schnellsten wachsende Markt in Europa der für Bodenbeläge in Innenräumen und Außenbereichen“, erklärte Boeck. „Wir erwarten, dass unsere Produkte auf diesem Markt eine große Rolle spielen werden.“
Anders als Weichhölzer, die 30 Jahre bis zur Reife brauchen, kann Bambus bereits nach drei Jahren geerntet werden. Im Afrika südlich der Sahara wachsen Bambuswälder auf einer Fläche von drei Millionen Hektar, das entspricht einem Anteil von vier Prozent an den afrikanischen Wäldern. In den kommenden fünf Jahren will Äthiopien seine Bambusvorkommen auf zwei Millionen Hektar verdoppeln.
Äthiopische Kleinbauern wie Ghetnet Melaku beteiligen sich begeistert an der Weiterentwicklung des Sektors, wollen aber an dem neuen Wachstum teilhaben. „Ich verdiene zurzeit nur das Nötigste, indem ich Bambus an die lokalen Handwerksmärkte verkaufe“, berichtet er. „Ich würde meine Kapazitäten gern ausbauen und mehr erwirtschaften.“
Unterstützung kommt unter anderem vom Internationalen Bambus- und Rattannetzwerk (INBAR), das Regierungen, Unternehmen und lokale Gemeinden Informationen über neue Wege zur menschlichen Entwicklung durch Bambus gibt. INBAR will die Regierungen der Region für das hohe Potenzial der erneuerbaren Ressource sensibilisieren. Demnach nutzt bereits eine Milliarde Menschen weltweit täglich Bambus zum Bau von Häusern und Zäunen sowie zur Fertigung von Kunsthandwerksgegenständen.
„Wenn mit dieser vielseitig einsetzbaren Ressource richtig umgegangen wird, könnte sie das Wachstum auf einem globalen Exportmarkt ankurbeln, der 2011 auf etwa zwei Milliarden US-Dollar geschätzt wurde“, sagte der INBAR-Generaldirektor J. Coosje Hoogendoorn. Zudem könnten die Entwaldung gestoppt und die CO2-Emissionen reduziert werden.
Bambusnutzung soll Waldschwund bremsen
Der Waldschwund hat die Umwelt in Afrika bereits schwer geschädigt. Allein durch das Abfackeln von Holz werden dort bis 2050 vermutlich 6,7 Millionen Tonnen CO2 generiert. Da 90 Prozent der Bevölkerung in Subsahara-Afrika Feuerholz oder Holzkohle verwenden, ist die Entwicklung eines alternativen Rohstoffs wichtig. Energie zum Kochen von Speisen sei essenziell für die Nahrungssicherheit in Afrika, zumal Reis, Mais und Hülsenfrüchte nicht roh verzehrt werden könnten, erklärte Hoogendoorn.
Die äthiopische Regierung hat inzwischen die kommerzielle Herstellung von Holzkohle verboten. Obwohl die Entwaldung in dem Land so rasch fortschreitet wie sonst kaum irgendwo auf dem Kontinent, ist die Bewaldung in den vergangenen zehn Jahren von drei auf sieben Prozent des Staatsgebiets gestiegen. Ursprünglich waren es allerdings 40 Prozent gewesen.
Die große Nachfrage nach äthiopischen Agrarprodukten wie Bambus könne zu Wachstum und Entwicklung führen, wenn dadurch Arbeitsplätze geschaffen würden, sagte Steve Wiggins von der britischen Entwicklungsdenkfabrik „Overseas Development Institute“ (ODI). Allerdings müsse im Umgang mit den Bauern und ihrem Land ein Ansatz sichergestellt sein, der nicht auf Ausbeutung aus sei. (Ende)
Titelbild: Äthiopien ist Spitzenreiter der „Bambus-Revolution“ in Afrika. (Foto: Shutterstock.com)