Von James Jeffrey | 4. April 2016
Addis Abeba (IPS/afr). Das innovative Geschäftsmodell einer deutschen Agrartechnikerin schafft einen bemerkenswerten Spagat: Es ermöglicht saubere Energie in ländlichen Haushalten und fördert gleichzeitig Unternehmertum. Die Biogas-Rucksäcke des Sozialunternehmens (B)energy finden in Äthiopien großen Anklang. Und auch im Sudan steigt das Interesse.
Im aufgeblasenen Zustand erinnert das (B)pack an ein blaues Riesenkissen: Der Biogas-Rücksack bringt es immerhin auf eine stattliche Breite von ca. 1,5 Meter. Befüllt wird das (B)pack an einer einfachen Anlage, die aus organischen Abfällen Biogas erzeugt. Danach wird das vier Kilogramm schwere Paket am Rücken nachhause befördert, wo es Gas zum Kochen liefert.
Die Gründerin von (B)energy ist die 34-jährige deutsche Agrartechnikerin Katrin Pütz. Der grundlegende Ansatz ihres Geschäftsmodells lautet: Aus den lokalen Partnern sollen selbst Unternehmer werden. Diese sogenannten (B)entrepreneurs agieren als selbstständige Biogas-Produzenten und schaffen aus dieser Tätigkeit Einkommen. Gleichzeitig fördern die Jungunternehmer die Verwendung von sauberer, leistbarer und nachhaltiger Energie.
In Hohenheim erfunden
Eine dieser (B)entrepreneurs ist die 32-jährige Zenebech Alemayehu. Die alleinstehende Mutter eines neunjährigen Buben lebt in einem südlichen Vorort der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba. „Ich habe viel für das hier geopfert“, sagt Zenebech während sie in ihrem Schuppen mit einem Streichholz eine schwache blaue Flamme entzündet.
Das Gas, das aus dem Metallrohr entweicht, stammt direkt aus der Biogas-Anlage außerhalb des Schuppens. In einem fünf Meter langen Kunststoffsack wird darin Kuhmist mithilfe von Bakterien zu Gas fermentiert, mit dem die (B)packs befüllt werden. „Wenn ich sehe, wie das funktioniert, bin ich glücklich und noch mehr motiviert.“ Zenebech legt ihre Fingerspitzen an die Lippen und richtet sie dann auf die Flamme – eine symbolischer Kuss für ihr neues Biogas-Geschäft.
Das Sozialunternehmen (B)energy ist aus einer Idee entstanden, die Katrin Pütz während ihres Studiums an der Universität Hohenheim in Stuttgart entwickelt hat. Die Agrartechnikerin hat erkannt, dass Biogas für Afrika eine saubere und günstige Alternative zu Brennholz darstellt. In der Folge hat sie die Kombination aus Biogas-Anlage und Biogas-Rucksack enwicklelt.
Nach Abschluss ihres Master-Studiums wurde sie vom Horn of Africa Regional Environment Centre and Network (HoA-REC&N) eingeladen, die Technologie in Äthiopien weiterzuentwickeln. Im April 2014 gründete Pütz ihr Unternehmen (B)energy. Und obwohl die Technologie verlockend für Geldgeber und Investoren scheint, hat sich die Agrartechnikerin für die unternehmerische Unabhängigkeit entschieden und finanzielle Unterstützung von globalen Wohltätigkeitsorganisationen abgelehnt. „Ich möchte nicht nur Biogas zur Verfügung stellen, sondern zeigen, dass es auch ohne Hilfe möglich ist“, sagt Pütz. „Es geht nicht nur ums Geld, es geht um den Stolz: Warum brauchen wir immer Hilfe und Unterstützung für etwas, das auch von selbst funktionieren kann?“
Franchising im Sudan
Das Franchising-Modell von Katrin Pütz kann auf der ganzen Welt umgesetzt werden, da es auf lokal verfügbaren Rohstoffen aufsetzt. Walled Babiker aus Khartum hat sich entschlossen, Franchise-Nehmer von (B)energy im Sudan zu werden. Er ist von der Lösung begeistert: „Sie ist umweltfreundlich, schafft Unternehmertum und unterstützt Gemeinden, ohne auf Almosen zu setzen“, meint Babiker.
Walled Babiker hat es bereits zuvor mit einer Kette von acht Restaurants zum erfolgreichen Geschäftsmann gebracht. Nun möchte er der Gesellschaft etwas zurückgeben, sagt er. Vor allem in ländlichen Regionen sei es schwierig, an Kochgas zu kommen. In der westlichen Region Dafur würden außerdem immer wieder Frauen beim Sammeln von Brennholz vergewaltigt. Die Verfügbarkeit von Biogas könne Frauen dieses Schicksal ersparen, so Babiker.
Auch der gesundheitliche Aspekt spricht für das Konzept von (B)energy: Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sterben weltweit jährlich zwei Millionen Menschen an den Folgen von Rauchgasvergiftungen, die sie beim Kochen und Heizen erlitten haben. Unter den Opfern sind vor allem Frauen und Kinder.
Schlechte Erfahrungen mit Biogas in der Vergangenheit
Zurück in Äthiopien. Biogas ist hier an und für sich nicht neu. Ein Blick in die Vergangenheit offenbart aber so manches Problem, das durch die Einmischung von außen entstanden ist – egal, wie gut sie gemeint waren. „Biogas wurde von NGOs vor mehr als 50 Jahren eingeführt“, erklärt Araya Asfaw, Direktor des HoA-REC&N in Addis Abeba. Allerdings hätten die Organisationen oft Anlagen errichtet ohne die Nutzung entsprechend zu propagieren. „Entweder wussten die Menschen einfach nicht über Biogas Bescheid oder sie waren nicht interessiert“, kritisiert Asfaw. „Das Vorgehen war Geber- und nicht Nachfrage-orientiert.“
Es gab sogar Pläne, Biogas-Anlagen in jedem Haushalt einzuführen, berichtet Asfaw. Diese wären aber daran gescheitert, da die Menschen die Anlagen nicht selbst warten bzw. den erforderlichen Aufwand dafür nicht erbringen konnten. (B)energy verwendet hier einen anderen Ansatz: Aus einer Biogas-Anlage werden mehrere Biogas-Rucksäcke gespeist, wodurch Aufwand und Kosten gesenkt werden.
Die (B)packs sind für die Kunden keineswegs gratis, auch wenn sich (B)energy bei der Bezahlung flexibel zeigt. Um das Geschäft der Partner anzukurbeln, werden Ausrüstungen auch verliehen. Aber: „Wenn man etwas herschenkt, wird es von Leuten nicht geschätzt und landet unter dem Bett“, erklärt der HoA-REC&N -Mitarbeiter Eyobel Gebresenbet. „Wenn sie allerdings dafür bezahlen müssen, wollen sie auch eine Einschulung erhalten und verwenden die Ausrüstung richtig.“
Designed in Germany, made in Ethiopia
Vor dem Start von (B)energy wurde in der Stadt Arsi Negele, ca. 225 Kilometer südlich von Addis Abeba, ein Pilotprojekt durchgeführt. Dabei wurde das Nachfragepotenzial für die Biogas-Rucksäcke getestet werden. Der Probelauf lief zufriedenstellend: Immerhin 26 Haushalte haben sich zum Kauf von (B)packs entschlossen.
„Wir haben nun eine lokale Fabrik errichtet, damit wir die gesamte mobile Biogas-Ausrüstung in Äthiopien herstellen können“, sagt Wubshet Yilka. Der 35-Jährige ist Franchise-Nehmer von (B)energy Ethiopia. „Das ist Technologie entwickelt in Deutschland, aber produziert in Äthiopien.“
Eine der Hauptherausforderungen für Wubshet bleibt jedoch, die lokale Bevölkerung zum Kauf der Ausrüstung zu überzeugen. Immerhin müssen 12.000 Äthiopische Birr – das sind fast 500 Euro – für zwei (B)packs, einen Faulbehälter und einen Biogas-Kocher aufgebracht werden. Ein Mikrofinanzierungsmodell soll den Erwerb auch für breite Bevölkerungsgruppen leistbar machen.
Die Pionierleistung von (B)energy in Äthiopien zeigt, wie in Afrika umweltfreundliche Umweltlösungen mit einem Geschäftsmodell kombiniert werden können. Die Technologie wurde von der Zertifizierungsstelle Ethiopian Conformity Assessment Enterprise getestet und vom Ministerium für Wasser, Bewässerung und Energie genehmigt. Der nächste Schritt soll die Zulassung des Biogas-Ofens (B)flame sein, der in drei unterschiedlichen Ausführungen erhältlich sein wird.
„Logischerweise interessiert sich niemand für die Rettung der Umwelt, wenn er ums Überleben kämpfen muss“, lautet das Fazit von Katrin Pütz. „Menschen akzeptieren Technologie dann, wenn sie billiger ist oder ihnen zu Geld verhilft.“ (afr/IPS)
Titelbild: Salome Zeresulos transportiert einen Biogas-Rucksack durch die Straßen von Addis Abeba. (Foto: James Jeffrey/IPS)