Von Jeffrey Moyo | 18. Februar 2015
Harare (IPS/afr). Im Schatten der derzeitigen Bemühungen, Ebola, Malaria und die medikamentenresistente Tuberkulose zu bekämpfen, gewinnt in Afrika eine weitere tödliche Krankheit an Boden: Krebs. Inzwischen greifen die bösartigen Tumore in der Region schneller um sich als HIV/AIDS. Doch gegen Krebs sind die Staaten weitgehend machtlos.
Während der Weltkrebstag, der jedes Jahr auf den 4. Februar fällt, kommt und vergeht, beunruhigt die Verbreitung von Krebs in Afrika Gesundheitsorganisationen und -experten das ganze Jahr über. Einer weiteren schlimmen Gesundheitskrise sei der Kontinent nicht gewachsen, warnen Gesundheitsexperten.
Bis 2020 rechnet die Weltgesundheitsorganisation (WHO) weltweit mit 16 Millionen neuen Krebsfällen. Zu 70 Prozent werden die Entwicklungsländer betroffen sein, deren Chancen, die Krankheit wirksam zu bekämpfen, aufgrund unterschiedlicher Faktoren extrem gering sind.
Am Scheideweg
„Afrika ist mit den rasant zunehmenden Krebsfällen, die inzwischen mehr Menschen dahinraffen als HIV/AIDS, völlig überfordert, vor allem weil es an allen Ecken und Enden an Krebsspezialisten fehlt“, meint Menzisi Thabane, ein in der Eastern-Cape-Provinz Südafrikas praktizierender Onkologe. Die politischen Entscheidungsträger des Kontinents hätten es versäumt, dem Kampf gegen den Krebs mit seinen Millionen Todesopfern Priorität einzuräumen.
Die meisten der mehr als 2.000 afrikanischen Sprachen verfügen über kein Wort für Krebs. In den Entwicklungs- und Industrieländern gelten die bösartigen Geschwulste vorrangig als Wohlstandsproblem, ausgelöst durch ungesunde Konsumgewohnheiten wie einem übermäßigen Fast-Food-, Tabak- und Alkoholkonsum.
Doch in einer Vielzahl von Fällen – vor allem in Afrika – stecken Infektionskrankheiten hinter den Krebserkrankungen. So führen Hepatitis B und C häufig zu Leberkrebs, humane Papillomviren (HPV) zu Gebärmutterhalskrebs.
Hinzu kommen die hohen Behandlungskosten. Die HPV-Impfungen, die in den meisten Subsahara-Ländern in drei Dosen über einen Zeitraum von sechs Monaten verabreicht werden, kosten 350 US-Dollar. In Simbabwe schlägt die Strahlentherapie mit 3.000 bis 4.000 Dollar zu Buche.
Wie aus einer 2011 veröffentlichten Studie hervorgeht, sind die Krebszahlen und die tödlich verlaufenden Krebserkrankungen in den reichen Ländern rückläufig. In Afrika und anderen Armenregionen sind sie hingegen drastisch gestiegen. 76 Prozent aller neuen Gebärmutterhalskrebserkrankungen werden in Entwicklungsländern diagnostiziert, 22 Prozent aller weltweiten Fälle in Afrika südlich der Sahara.
Kaum Onkologen
Nach Angaben des simbabwischen Gesundheitsministeriums kommen auf 7.000 Krebspatienten gerade einmal vier Onkologen. „Der Mangel an Fachärzten verhindert eine umfassende Therapie der Patienten“, meint dazu Prosper Chonzi, Leiter der Gesundheitsdienste in der simbabwischen Hauptstadt Harare.
Ein ähnlich gravierender Fachkräftemangel herrscht in Westafrika. Im letzten Jahr hatte ‚The Vanguard‘, eine nigerianische Zeitung, berichtet, dass es in der 300 Millionen Einwohner zählenden Region gerade einmal 60 Onkologen gibt, von denen 20 im 160 Millionen Menschen zählenden Nigeria ihren Beruf ausüben.
Im 24 Millionen Einwohner zählenden Ghana sind sieben Onkologen im Einsatz, in Burkina zwei und in Côte d’Ivoire gerade einmal einer. Im sechs Millionen Menschen zählenden Sierra Leone gibt es überhaupt keinen Facharzt zur Behandlung von Krebs.
Auf der anderen Seite des Kontinents, in Kenia, gehen jährlich 18.000 Todesfälle auf das Konto von Krebs. In 60 Prozent aller Fälle befanden sich die betroffenen Kenianer in ihrem produktivsten Lebensabschnitt. Bei Männern wird meist Prostata- oder Speiseröhrenkrebs diagnostiziert, bei Frauen Brust- und Gebärmutterhalskrebs festgestellt.
Krebsgefahr unterschätzt
Simbabwische Gesundheitsexperten führen die hohen Todesraten in Afrika vor allem auf eine unzureichende Aufklärung zurück. „Es gibt nur sehr wenige Menschen, die Krebs als wirkliche Gefahr für das Gesundheitssystem betrachten“, moniert Agnes Matutu von der Simbabwischen Krebsallianz, eine Organisation, die über die Krebsgefahren aufklärt.
In Sambia werfen Gesundheitsaktivisten der Regierung vor, auf die Krebsgefahr nicht angemessen zu reagieren. „Die Menschen sterben in Massen an Krebs, während sich die Regierung ausschließlich dem Kampf gegen HIV/AIDS widmet“, so Kitana Phiri, die seit ihrem persönlichen Sieg über Gebärmutterhalskrebs an einer Aufklärungskampagne in der sambischen Hauptstadt Lusaka mitwirkt.
Auch in Tansania rafft Krebs eine Vielzahl von Menschen dahin. So hatte im Januar 2014 das Ocean-Road-Krebsinstitut (ORCI), die einzige Krebsklinik im 45 Millionen Einwohner zählenden Land, in einem Bericht mitgeteilt, dass die Krebsrate des Landes bei 100 pro 100.000 Menschen liegt.
In Namibia wiederum wurden bei Uran-Bergleuten extrem hohe Krebsraten festgestellt. Aus der Rössing-Uranmine von „Rio Tinto“ werden Millionen Tonnen Gestein aus dem Boden geholt. „Die meisten Arbeiter berichteten, gar nicht gewusst zu haben, dass sie radioaktiven Strahlungen ausgesetzt waren“, fanden Wissenschaftler von ‚Earthlife Namibia‘ und dem Institut für Arbeitsressourcen und Forschung in einer gemeinsamen Studie heraus.
„Die älteren Arbeiter kannten allesamt Kumpel, die an Krebs und anderen Krankheiten gestorben sind. Viele befinden sich inzwischen im Ruhestand oder sind bereits selbst an Krebs gestorben“, heißt es in der Untersuchung.
„Die Krebsepidemie wird weiter um sich greifen“, befürchtet Elize Jourbert vom Südafrikanischen Krebsverband (CANSA). „Allein in Südafrika wird jedes Jahr bei 100.000 Menschen Krebs diagnostiziert.“
Private Brustkrebsvorsorge in Ghana
Ellen Awuah-Darko, Gründerin der Jead-Stiftung für Brustkrebs, weiß aus eigener Erfahrung, was es bedeutet, in Afrika an Krebs zu erkranken. Nachdem bei ihr Brustkrebs festgestellt worden war, musste sie zigtausende Dollar aufbringen, bevor sie in den USA erfolgreich behandelt werden konnte. Das hat sie angetrieben, in ihrem eigenen Land nach Lösungen zu suchen.
„In Amerika musste ich erst einmal 70.000 Dollar hinlegen, bevor sich überhaupt jemand bereitfand, mit mir zu reden“, sagt sie. „Ich hatte Glück, weil mir mein Mann nach seinem Tod eine Erbschaft hinterlassen hatte. Doch schon damals drängte sich mir die Frage auf, warum nur ich eine Behandlung bekommen soll, meine anderen Landsleute nicht.“
Inzwischen geht Awuah-Darko mit Gesundheitsexperten in die Gemeinden in Ghanas Eastern Region, um Frauen einfache Brustuntersuchungen – keine Mammografien oder Ultraschalluntersuchungen – anzubieten und ihnen zu zeigen, wie sie ihre Brust wirkungsvoll auf Knoten abtasten können. „Scham ist hier fehl am Platz“, sagt sie. „Ich will, dass alle Frauen begreifen, dass Früherkennung lebensrettend sein kann.“ (Ende)
Titelbild: In afrikanischen Staaten fehlen medizinische Fachkräfte, um dem rapiden Wachstum an Krebserkrankungen wirkungsvoll zu begegnen. (Foto: Jeffrey Moyo/IPS)