Von Benson Rioba | 15. Januar 2019
Kisumu (IPS/afr). Der Victoriasee ist der größte See Afrikas und fast so groß wie Bayern. 30 Quadratkilometer des Gewässers sind derzeit mit einem Teppich aus Wasserhyazinthen bedeckt. Ein Chemielehrer hat aus der Plage ein einträgliches Geschäft gemacht.
Die Ausdehnung der Wasserhyazinthen auf dem Victoriasee bereitet vielen Menschen Kopfzerbrechen. Die Schwimmpflanze, die ihren Ursprung in Südamerika hat, vermehrt sich rasant und droht das Binnengewässer zu überwuchern. Durch den Lichtmangel sterben Fische und andere Wasserpflanzen. Außerdem behindern die dicken Hyazinthen-Teppiche die Schifffahrt und die Fischerei.
Der Chemielehrer Richard Arwa ist auf eine innovative Idee gestoßen, wie man die Ausbreitung der Wasserhyazinthen verhindern kann. Mit seinem „Centre for Innovation Science and Technology“ (CIST) stellt er aus dem Unkraut Ethanol her. Der günstige Brennstoff gewinnt immer mehr Anhänger.
Einfache Herstellung
Die Produktion des Bioethanols ist relativ simpel. Arwa beauftragt Einheimische, die Wasserhyazinthen zu ernten. Im CIST werden dann die Schwimmpflanzen vorbehandelt, um sie von Mikroorganismen zu befreien.
Dann werden die Wasserhyazinthen getrocknet und in kleine Stücke geschnitten. In geschlossenen Tanks werden die trockenen Pflanzenteile mit Wasser, Säuren und Enzymen gegärt. Nach der Fermentation wird das Gemisch auf 80 Grad Celsius erhitzt – dabei entstehen Ethanol, Methan und Kohlendioxid.
Wie ist Arwa auf die Idee gekommen, die über die Landesgrenzen von Kenia hinaus für großes Aufsehen sorgt? Arwa hat Chemie und Biologie an der Maseno University nahe Kisumu studiert. Als Chemielehrer hat er später gemeinsam mit seinen Schülern ein Projekt zur Verwertung der Hyazinthen entwickelt.
Das erste Vorhaben erwies sich allerdings als Sackgasse: Ursprünglich wollte Arwa aus dem Unkraut Alkohol herstellen. Aber die aufwändigen Reinigungsverfahren und die hohen Steuern haben dazu geführt, dass er den Plan wieder verwerfen musste.
Hochwertig und sauber
Die Herstellung von Ethanol sei wesentlich kostengünstiger, so Arwa. Gegenwärtig produziert sein sechsköpfiges Team pro Tag etwa 100 Liter. Mit dieser Menge werden 560 Haushalte in der Stadt Yala, 32 Kilometer nordwestlich von Kisumu, versorgt.
Die Kundin Lyne Ondula ist von der Qualität des Bioethanols angetan: „Das Ethanol aus Hyazinthen verbrennt langsamer als das übliche Kerosin. Es erzeugt beim Kochen keinen Rauch und keinen Ruß. Bei der Zubereitung von Speisen muss ich in der Küche nicht mehr husten.“
Außerdem spart sich Ondula viel Geld. Ein Liter Ethanol kostet 70 Kenia-Schilling (0,60 Euro). Der Vorrat reicht in Ondulas Familie für vier Tage. Die gleiche Menge Kerosin käme auf 100 Kenia-Schilling (0,86 Euro) und in zwei Tagen verbraucht sein.
Der Einsatz von Bioethanol wird in Kenia als saubere Alternative zu herkömmlichen Brennstoffen erachtet. Die meisten ländlichen Haushalte sind noch immer auf Kerosin, Holzkohle oder Feuerholz als Energiequelle angewiesen. Für die Beschaffung von Feuerholz werden häufig Bäume gefällt.
Die Folgen sind dramatisch: Die Waldfläche von Kenia liegt mit nur noch sieben Prozent weit unter dem globalen Standard von zehn Prozent. Die Abrodung des Baumbestands gilt als einer der Hauptgründe für die häufigen Dürren im Land.
Investoren für den Ausbau gesucht
Philip Odhiambo ist Koordinator für Energie und Klimawandel beim „World Wide Fund for Nature“ (WWF). Er sagt, dass Innovation wie jene von Arwa der Schlüssel dafür seien, die bislang ungenutzten Potenziale von Gewässern zu nutzen. Allerdings sei der Zugang zu Startkapital stark eingeschränkt. So sei Richard Arwa von vielen Banken abgewiesen worden, weil ihm die Sicherheiten für die erforderliche Summe von 50.000 US-Dollar gefehlt hätten.
Der WWF sprang in die Bresche und unterstützte den Aufbau von Arwas Unternehmen. Arwa verfolgt einen ehrgeizigen Expansionsplan: So soll die Produktionsstätte, die derzeit 40 Kilometer von Viktoriasee entfernt liegt, näher an das Ufer rücken. Damit könnten die Kosten gesenkt werden. Nach dem Umzug will Arwa die Produktion auf bis zu 25.000 Liter pro Tag ausbauen. Für den Ausbau werden allerdings noch Investoren benötigt.
Die Nachfrage für sein Bioethanol aus Wasserhyazinthen steigt in der Zwischenzeit weiter, so Arwa: „Ich fühle mich schlecht dabei, dass wir Kunden abweisen müssen. Aber im Moment können wir die Nachfrage einfach nicht bedienen.“ (Ende)
Titelbild: Ein Fischer bahnt sich seinen Weg durch die Vegetation am Ufer des Victoriasees. (Foto: Jen Watson, Shutterstock.com)