Von Chemtai Kirui | 16. Juni 2025
Aberdare-Nationalpark (IPS/afr). Im Aberdare-Nationalpark in Kenia testen Tierschützer*innen ein neues System mit künstlicher Intelligenz (KI). Es soll Hyänen erkennen und vertreiben, um junge Spitzmaulnashörner besser zu schützen. Der Test ist Teil eines Projekts zur Wiederansiedlung der bedrohten Tiere.
Die Initiative wird von der Organisation Rhino Ark gemeinsam mit dem Kenya Wildlife Service durchgeführt. Ziel ist es, im bewaldeten und gebirgigen Gebiet der Aberdares wieder eine stabile Population des Spitzmaulnashorns anzusiedeln. Die Region liegt etwa 194 Kilometer nördlich von Nairobi.
„Früher lebten viele Nashörner in den Aberdares, doch in den 1980er-Jahren wurden sie intensiv gewildert“, erklärt Christian Lambrechts, Geschäftsführer von Rhino Ark. „Wir konnten zwar eine Restpopulation retten, doch mittlerweile übersteigt ihr Bestand die Kapazität der vorhandenen Schutzgebiete. Wir müssen neue Lebensräume finden.“
Inzwischen gibt es in Kenia wieder rund 1.000 Spitzmaulnashörner. Das wasserreiche Gebiet im Ostteil des Aberdare-Nationalparks gilt als vielversprechend für eine neue Ansiedlung.
Innovation aus Österreich
„Bevor wir Tiere umsiedeln, müssen wir gewährleisten, dass sie dort sicher sind“, so Lambrechts. „Wir hatten einen Fall, in dem in den Aberdares ein Nashornkalb von Hyänen getötet wurde.“
Vor allem junge Nashörner unter zwei Jahren sind gefährdet. Das belegen auch Erfahrungen aus Tansania. Dort gaben 87,5 % der Ranger an, Angriffe von Hyänen auf Nashornkälber beobachtet zu haben.
Deshalb setzen die Tierschützer*innen auf ein neues System mit künstlicher Intelligenz. Dieses wurde vom österreichischen Unternehmen Salzgeber IT-Revolutions mit Sitz im niederösterreichischen Tulln entwickelt. Das System erkennt Tiere über Kameras und nutzt maschinelles Lernen zur Unterscheidung von Arten.
Wenn es eine Hyäne regisriert, sendet es einen kurzen, hochfrequenten Ton aus. Dieser ist für Menschen und viele Tiere nicht hörbar, aber für Hyänen unangenehm.
„Wir sind noch in der Anfangsphase“, sagt Lambrechts. „Es ist ein Experiment.“ Das System lernt aber ständig dazu. Je mehr Tiere es erfasst, desto besser erkennt es sie – auch aus verschiedenen Blickwinkeln. Die Pilotphase wird rund um die Uhr überwacht. Zwei Fragen stehen dabei im Fokus: Erkennt das System die Hyänen zuverlässig? Und: Werden sie durch den Ton wirklich vertrieben?

Mögliche Risiken für das ökologische Gleichgewicht
Gleichzeitig warnen Fachleute vor möglichen Folgen für das Ökosystem. Paul Gacheru von der Naturschutzorganisation The Nature Conservancy sieht die Vorteile der Technologie in einem effektiveren und genaueren Monitoring von Wildtieren, er mahnt aber auch zur Vorsicht.
„Wir müssen die Auswirkungen auf andere Arten überwachen – insbesondere auf jene, die durch Abschreckung mit Ultraschall beeinträchtigt werden könnten“, meint Gacheru. „Das System muss sorgfältig geprüft werden, um zu verstehen, wie es das Verhalten der Raubtiere und das gesamte Ökosystem beeinflusst.“
Ähnliche Bedenken hat Steve Itela von der Conservation Alliance of Kenya. „Für schwer erfassbare Arten wie Spitzmaulnashörner bieten KI-Systeme die Chance, vom reaktiven zum proaktiven Schutz überzugehen“, sagt er. „Aber die Abschreckung von Raubtieren wie Hyänen könnte sie zu anderen Zielen drängen oder ihre Sozialstrukturen verändern.“
Tierschutz wird zunehmend digital
In Kenia werden digitale Werkzeuge im Naturschutz immer häufiger eingesetzt. Sensoren, Drohnen und digitale Karten unterstützen den Schutz und die Überwachung von Wildtieren. Doch ein entscheidender Faktor ist und bleibt die Einbindung der Bevölkerung in der Region.
In Gebieten wie den Aberdares, wo die Abholzung in der Vergangenheit zu einem erheblichen Verlust an Lebensraum geführt hat, ist das Engagement der Menschen vor Ort entscheidend. Daniel Kiarie Mwaura, Vorsitzender der Community Forest Associaton (CFA) in Geta am Westrand des Aberdares-Nationalparks, sagt: „Unsere Eltern wussten es nicht besser. Wir waren von klein auf auf den Wald angewiesen, um Brennholz und Bauholz zu gewinnen – das war unsere Lebensweise.“
Laut Mwaura hat die jahrelange Zerstörung der Wälder der Region ihren Tribut gefordert: Flüsse sind ausgetrocknet, saisonale Brände haben sich verstärkt, die Konflikte zwischen Mensch und Tier haben sich verschärft.
Heute pflanzt seine Gruppierung Bäume, betreibt Baumschulen, pflegt Elektrozäune und bringt ihr Wissen über das Verhalten der Wildtiere ein. Auch Jugendliche helfen mit. Sie arbeiten als sogenannte Community Ranger für das Kenya Wildlife Service. Sie gehena auf Patrouille, beobachten Tiere und melden Zwischenfälle. „Die lokale Bevölkerung trägt ihren Anteil dazu bei, dass das Gleichgewicht wiederhergestellt wird“, ist Mwaura überzeugt.
Ganzheitlicher Naturschutz
Obwohl viele Naturschutzprojekte in Kenia von Nichtregierungsorganisationen durchgeführt werden, spielt die Regierung eine entscheidende Rolle bei der Festlegung von Richtlinien, Vorschriften und Projektgenehmigungen.
John Chumo, Conservation Secretary im State Department for Wilflife, erklärt, dass Kenia ein ganzheitliches Naturschutzmodell verfolge. Dieses bringe lokale Gemeinschaften, Naturschutz und Technologie zusammen, um die Tierwelt sowohl als nationales Erbe als auch als Motor der wirtschaftlichen Entwicklung zu schützen.
„Angesichts der rasanten technologischen Entwicklung besteht unsere Aufgabe nun darin, die sozialen und ökologischen Risiken ständig zu bewerten“, so Chumo. Dabei müsse auch auf Herausforderungen wie Datenschutz und Akzeptanz geachtet werden.
Laut Chumo testet Kenia in den Aberdares auch virtuelle Zäune – also digitale Barrieren mit GPS und Sensoren. Die Partnerschaft mit Rhino Ark sei Teil der nationalen Strategie zur Wiederbelebung der Wildtierpopulationen und der Artenvielfalt und stehe die im Einklang mit dem UN-Ziel, bis 2030 30 % der Landes- und Meeresflächen der Welt zu schützen.
Paradigmenwechsel im Nashornschutz
Die Vorbereitungen für die Ansiedelung von Spitzmalnashörnern im Aberdare-Nationalpark sind bereits im Gange, der genaue Zeitplan steht allerdings noch nicht fest. Jedes Nashorn soll dann mit einem GPS-Halsband ausgestattet werden, um seine Bewegungen und sein Wohlbefinden zu überwachen.
„Das ist aber erst der nächste Schritt“, sagte Christian Lambrechts. „Im Moment konzentrieren wir uns darauf, den Lebensraum vorzubereiten – mit Nahrung, Wasser und vor allem Schutz vor Raubtieren.“
Lambrechts betont, dass es beim Nashornschutz einen Paradigmenwechsel gebe – weg von der Reaktion auf Risiken, hin zur mehr Antizipation und Prävention von Gefahren.
„Es geht nicht mehr nur um Zäune und Patrouillen“, fügt er hinzu. „Es geht darum, traditionellen Naturschutz mit neuen Mitteln zu verbinden, um Nashörnern eine echte Chance zu geben – auch dort, wo Raubtiere zum Landschaftsbild gehören.“ (Ende)
Titelbild: Hyäne im Aberdare-Nationalpark (Foto: Shutterstock.com)