Von Martin Sturmer | 3. März 2023
Matisi, Salzburg (afr). Rosemary Akisa Amacar zeigt stolz auf den üppig gedeckten Tisch. In ihrem Waldgarten hat sie heute eine Vielzahl an Passionsfrüchten, Kürbissen, Yamswurzeln und Bananen geerntet. Die Ausbeute ist mehr als genug, um die siebenköpfige Familie zu versorgen. Was übrig bleibt, verkauft Amacar auf dem Markt. Mit dem Gewinn bezahlt sie das Schulgeld für ihre Kinder.
Bis vor wenigen Jahren war die Situation von Rosemary Amacar alles andere als rosig. „Wie die meisten Bäuerinnen im Bungoma County habe auch ich fast nur Mais angebaut“, erzählt sie. Doch obwohl die Region am Mount Elgon im Westen Kenias zu den fruchtbarsten Gegenden des Landes gehört, fielen die Ernten immer dürftiger aus. „Der Grund dafür war die langjährige Monokultur, die zu ausgelaugten Böden und Schädlingsbefall führte. Dazu kommt der Regen unregelmäßiger und bleibt manchmal sogar aus“, meint Amacar. Der Klimawandel macht sich auch im Western Kenias bemerkbar.
Im Jänner 2017 trat Rosemary Amacar der neu gegründeten „Matisi Boresha Group“ bei. Der Zusammenschluss von rund 20 Kleinbauern aus dem Dorf Matisi setzte sich das ehrgeizige Ziel, die landwirtschaftliche Produktivität der beteiligten Farmen zu steigern. Mit Erfolg: Heute können alle Mitglieder der Matisi Boresha Group gut von ihrer Landwirtschaft leben. „Meine Familie bekommt nun jeden Tag frisches Obst und Gemüse auf den Tisch“, schwärmt Amacar. „Die Kinder ernähren sich viel gesünder. Außerdem erwirtschaften wir durch den Verkauf der Feldfrüchte und ihrer Samen ein zusätzliches Einkommen.“
Agroforstwirtschaft schützt das Klima
Ein entscheidender Faktor für den Aufschwung war die Rückkehr zu einer traditionellen Anbauform: dem Waldgarten. „Die Wiederentdeckung der Agroforstwirtschaft erwies sich als ein echter Segen für die Bäuerinnen und Bauern von Matisi“, sagt Wolfgang Heindl von Sei So Frei in Salzburg. „In den Waldgärten werden Bäume, Sträucher und bodendeckende Pflanzen auf einer gemeinsamen Fläche angesetzt. Die Ackerflächen werden dadurch vor direkter Sonneneinstrahlung und vor Regen geschützt, die Fruchtbarkeit der Böden wird enorm verbessert. Aufgrund ihres hohen Ertrags werden Waldgärten deshalb hier auch ‚food forests‘ – also Nahrungswälder – genannt.“ Traditionelle Anbauformen wie diese helfen mit, dass die Anpassung der Kleinbauern an den Klimawandel gelingt.
Als entwicklungspolitische Organisation der Katholischen Männerbewegung hat Sei So Frei die Aktivitäten der Matisi Boresha Group von Anfang an unterstützt. Das auf vier Jahre angelegte Projekt soll nun dafür sorgen, dass das Know-how an 750 Kleinbauern in den Landkreisen Bungoma und Tans Nzoia in West-Kenia Die Finanzierung in Höhe von 484.939,37 Euro erfolgt durch das österreichische Klimaministerium.
„Die Rückbesinnung auf die traditionelle Anbauform hat eine enorme Relevanz für die Ernährungssouveränität in Zeiten des Klimawandels“, erklärt Heindl. „Der Temperaturanstieg hat die Regenzeiten verändert und den Ertrag der Böden verschlechtert. Durch die Rückkehr zu traditionellen Anbautechniken wird die Anpassungsfähigkeit an die sich ändernden klimatischen Bedingungen entscheidend erhöht.“
Projektpartner vor Ort ist die Entwicklungsorganisation DECESE unter der Leitung von
Sophie Elizabeth Kibuywa (69), Romero-Preis-Trägerin von 1997. „Es ist wirklich bemerkenswert, welchen gewaltigen Unterschied die Arbeit von DECESE für die Lebensrealität der Menschen macht“, sagt Heindl. „Die Familien erzielen bessere Ernten, leben gesünder und erwirtschaften ein zusätzliches Einkommen. Das garantiert die Ausbildung der Kinder und schafft Rücklagen für die Zukunft.“
Traditioneller Anbau geriet in Vergessenheit
Agroforstwirtschaft wird in Ostafrika bereits seit Jahrhunderten praktiziert. „Die bekanntesten afrikanischen Waldgärten sind jene der Chagga am Fuße des Kilimanjaro in Tansania“, erklärt Sophie Kibuywa. „Durch die Kolonialisierung geriet diese traditionelle Anbauform allerdings weitgehend in Vergessenheit: Die Briten setzten auf Monokulturen, die später leider auch von unseren Regierungen propagiert wurden.“
Traditionelle Waldgärten zeichnen sich durch ihren mehrstöckigen Aufbau aus. Im Erdgeschoss finden sich bodendeckende Pflanzen (z. B. Bohnen) sowie Wurzel- und Knollenfrüchte (z. B. Süßkartoffel). Der erste Stock umfasst buschhohe Pflanzen wie Maniok, Mais oder Passionsfrüchte. Das zweite Stockwerk wird von drei bis sechs Meter hohen Gewächsen wie Kaffeebäumen oder Bananenstauden geprägt. Das oberste Stockwerk bilden schließlich massive Schattenspender wie die afrikanische Eiche (Afzelia africana) oder Albazia-Arten. Diese Bäume können eine Höhe von bis zu 30 Meter erreichen. Ihre herabfallenden Blätter tragen wesentlich zum Erhalt und zur Regenerierung der Böden bei.
Natürliche Pflanzenschutzmittel
Rosemary Akisa Amacar ist in der Zwischenzeit zu einer Waldgarten-Botschafterin geworden: In ihren Trainings schult sie andere Kleinbauern, wie sie möglichst viel aus ihrem Land machen. Dazu zählt auch die Verwendung von biologischen Pflanzenschutzmitteln. Denn bevor die Matisi Boresha Group aktiv geworden ist, wurden vor allem chemische Pestizide verwendet. „Die Folgen waren katastrophal“, erzählt der Landwirt Moses Wekesa, „die Chemikalien haben viele krank gemacht, wir konnten eine eindeutige Häufung von Krebsfällen feststellen.“
In der Matisi Boresha Group hat Wekesa gelernt, einen natürlichen Pflanzenschutz herzustellen. Die Rezeptur beinhaltet u. a. Chilischoten, Lantana Camara, Maniokblätter, Bestandteile des Niembaums und Seifenreste. „Die Mischung hat sich als äußerst effektiv in der Bekämpfung von Schädlingen erwiesen“, sagt der Vater von neun Kindern. „Außerdem fügt sie der Natur keinen Schaden zu.“ (Ende)
Titelbild: Waldgarten der „Matisi Boresha Group“ in Matisi im Bungoma County im Westen von Kenia (Foto: Sei So Frei)