Von Audrey Simango, Africa Renewal* | 10. August 2022
Lilongwe (AR/afr). Wenn die 63-jährige Charity Salima durch die Straßen von Lilongwe geht, rufen viele Mütter aufgeregt ihren Vornamen: “Charity! Charity!”. Die Frauen gehen mit ihren Babys auf die Hebamme zu und sagen: „Hier ist dein Enkelkind.“
Charity Salima ist solche offenen Zuneigungsbekundungen inzwischen gewohnt: Seit dem Jahr 2008 hat sie in der von ihr gegründeten Achikondi-Frauenklinik 12.000 Geburten begleitet – ohne dabei bislang einen einzigen Todesfall betrauert haben zu müssen.
Die Achikondi-Frauenklinik befindet sich in der Area 23, einem ärmlichen Stadtteil im Südosten von Malawis Hauptstadt Lilongwe. Nach 26 Jahren im öffentlichen Gesundheitssektor in Malawi hat Salima 2008 die Entbindungsstation ins Leben gerufen. Der Name der Klinik ist Programm: Aus der malawischen Amtssprache Chichewa übersetzt heißt Achikondi auf Deutsch soviel wie Liebe.
Kostenfreie Entbindungsstation
Charity Salima ist selbst dreifache Mutter und hat drei Enkelkinder. Ihre Kraft für den herausfordernden Beruf schöpft sie aus der Freude, die sie bei den Geburten erlebt. „Wenn eine Frau in den Wehen zu uns kommt, bei uns entbindet und mit ihrem Wonneproppen nach Hause geht – dann macht mich das wirklich glücklich”, schildert Salima im Gespräch mit Africa Renewal.
Warum sie die Klinik ausgerechnet in einem ärmlichen Stadtteil wie der Area 23 gegründet hat? “Es tat mir weh, wenn schwangere Frauen lange Wegstrecken zurücklegen mussten, um Geburtshilfe und Medikamente zu erhalten”, erklärt Salima. “Also dachte ich, dass diese Dienste näher zu den Menschen kommen müssten. Wie Sie wissen, können Wehen jederzeit einsetzen – nachts oder tagsüber.”
Für Charity Salima ist es keine Seltenheit, dass Frauen auch spät in der Nacht an ihre Tür klopfen und um Hilfe bitten. Trotzdem sind die Leistungen der Achimondi-Frauenklinik kostenfrei. Die Patientinnen werden aber gebeten, eine freiwillige Spende zur Deckung der Strom- und Wasserrechnung zu leisten. Aus Geldmangel können die meisten Frauen dieser Bitte aber nicht nachkommen.
Um die Klinik am Laufen zu halten, ist Charity Salima auf Spenden angewiesen. Finanzielle Unterstützung kommt vor allem aus Schottland, etwa von der Freedom from Fistula Foundation in Perth und Student*innen des George Watson’s College in Edinburgh.
Kampf gegen Kindersterblichkeit
Kopfzerbrechen bereitet Charity Salima aber die hohe Kindersterblichkeit in Malawi. Laut UNICEF erleben 3,9 Prozent aller Kleinkinder ihren fünften Geburtstag nicht. Als Hauptursachen für die hohe Sterblichkeitsraten gelten Frühgeburten, Atemstillstand, fehlender Sauerstoffe, Traumata und bakterielle Infektionen.
Viele Kinderleben könnten gerettet werden. Stanley Samusodza ist Experte für öffentliche Gesundheit und hat als Pfleger in vielen Ländern des südlichen Afrika gearbeitet. Für ihn ist die hohe Geburtensterblichkeit in Malawi auf einen “Cocktail von Faktoren” zurückzuführen, der u. a. aus der Unterfinanzierung öffentlicher Krankenhäuser, schwach ausgebildeten Hebammen und fehlenden bzw. zu späten Diagnosen bei Vorerkrankungen besteht. Im Gegenzug würden gut ausgestattete Privatkliniken bei Entbindungen hohe Gebühren veranschlagen, die sich die meisten Frauen einfach nicht leisten könnten.
Für Charity Salima müssen gute Hebammen mehr können, als nur über ein Diplom zu verfügen. “Als Hebamme nutze ich meine Ohren zum Hören und meine Nase zum Riechen”, sagt sie. “Wenn eine Frau das Kind zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht geboren hat, muss ich schnell den Grund dafür ermitteln können. Möglicherweise muss sie rasch in ein Krankenhaus. In der Arbeit als Hebamme gibt es kein Trial-and-Error.”
Internationale Auszeichnungen
Salima leistet auch viel Aufklärungsarbeit in traditionellen Gemeinschaften. So versucht sie Chiefs dafür zu sensibilisieren, dass Babys in Entbindungskliniken zur Welt gebracht werden und nicht zu Hause, wo in der Regel nur ungeschulte Geburtshelferinnen zur Verfügung stehen würden. Schwangeren Teenagern steht sie mit Rat und Tat zur Seite: “Ich sage jungen Mädchen, dass sie in jedem Fall mit der Schule weitermachen sollen.”
Für ihre bemerkenswerte Arbeit hat Salima viele Auszeichnungen erhalten. Im Jahr 2019 verlieh ihr die englische Königin Elizabeth II. den Commonwealth Point of Light. Der Preis würdigt herausragende Persönlichkeiten, die in ihrer Gemeinde etwas zum Positiven verändern. 2020 wurde Salima vom malawischen Präsidenten Lazarus Chakwera für ihre Lebensleistung geehrt.
Mit ihren 63 Jahren weiß Charity Salima aber, dass sie ihren Beruf als Hebamme nicht mehr ewig ausüben wird können. Es ist ihr deshalb ein großes Anliegen, ihre Nachfolge bald zu regeln. Deshalb kümmert sich derzeit um die Ausbildung junger Krankenschwestern – eine davon wird hoffentlich in ihre Fußstapfen treten. (Ende)
*Raphael Obonyo ist Politikanalyst und Journalist aus Kenia. Der englischsprachige Originalbeitrag ist im Juni 2023 in unserem Partnermagazin Africa Renewal der Vereinten Nationen erschienen.
Titelbild: In Malawi ist die Kindersterblichkeit hoch – 3,9 Prozent der Kinder erleben ihren 5. Geburtstag nicht. (Foto: UNFPA/Africa Renewal)