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Zur Afrika-Berichterstattung in Österreich

Von Martin Sturmer | 11. August 2016

Die aktuelle Ausgabe 2/2016 der kommunikationshistorischen Fachzeitschrift Medien und Zeit ist dem Thema „Afrikanisch-Europäische Medienbeziehungen“ gewidmet. In meinem Beitrag setze ich mich mit der Entwicklung der Afrika-Berichterstattung in Österreich seit dem Ende der Kolonialzeit auseinander. Nachfolgend gibt es eine kurze Zusammenfassung.

Vor seiner Zeit als stellvertretender Chefredakteur der „Wiener Zeitung“ hat sich Thomas Seifert in Österreich vor allem als Auslandsreporter für „News“ und „Die Presse“ einen Namen gemacht. Seine Reportagen haben ihn rund um den Erdball geführt, dabei mehrmals auch nach Afrika.

Bei einer Diskussion des Medienquartetts richtete die Publizistin Rubina Möhring an Seifert die Frage, warum über Afrika größtenteils negativ berichtet wird. Seiferts Antwort fiel durchaus selbstkritisch aus: „Im medialen Theater bekommt jeder eine Rolle. (…) Die Rolle Afrikas ist die der tragischen Figur. Das ist eingeübt über die Jahrzehnte, vom Ende der Kolonialzeit bis heute.“

Kommunikationswissenschaftliche Untersuchungen haben bestätigt, dass Afrika vor allem dann zum Thema wird, wenn Konflikte oder humanitäre Krisen auftreten (z. B. Neuwirth 1992, Pointner & Luger 1996, Mükke 2010, Glodzinski 2010, Freches 2016). Die Afrika-Berichterstattung geschieht dabei in der Regel in Form von Standarderzählungen, die Kurt Luger (1998, S. 18) wie folgt zusammenfasst:

„Der Kontinent der Opfer, der Kontinent der Diktatoren, der Born der Korruption und Kriminalität, der hilfsbedürftige Kontinent, der blutige Kontinent, der Spielplatz für Abenteurer und die Wiege der Spitzenathleten sind solche Klischees, die in Summe ein doch stark vereinfachendes Afrika-Bild prägen.“

Luger 1998, S. 18

In meinem Beitrag habe ich versucht, jene Ereignisse in Afrika zu identifizieren, die seit dem Ende des Kolonialismus unsere Wahrnehmung von Afrika als „tragische Figur“ nachhaltig geprägt haben. Dabei habe ich aufgrund der relativ großen Zeitspanne jene Anlässe ausgewählt, in denen eine Standarderzählung erstmals auftrat. So ist z. B. das Image Afrikas als „Hungerkontinent“ bereits im Biafra-Krieg (1967-1970) entstanden, auch wenn vielleicht die Hungerkatastrophe in Äthiopien 1984/85 bei vielen noch stärker in Erinnerung ist.

1. Der primitive Kontinent

Während der Kolonialzeit wurden Afrikaner*innen häufig als „nackte Primitive“ dargestellt. Dieses Klischee wurde während der Zeit des Nationalsozialismus weiter verstärkt und einzementiert. (Sauer 2014, S. 67)

Nach Kriegsende änderte sich zunächst wenig an dieser Vorstellung. In den 1950-er Jahren verschärften Filme wie „Omaru – eine afrikanische Liebesgeschichte“ gängige Stereotypen: Nacktheit, Infantilität und Irrationalität bestimmten in diesem Streifen die Zuschreibungen an die afrikanischen Filmfiguren (Bakondy & Winter 2007, S. 97-114).

Die Tageszeitung „Die Presse“ brachte in ihrem Artikel über die Wien-Premiere von Omaru am 5. Oktober 1955 die damalige Wahrnehmung auf den Punkt:

„Mit Ernst. A. Zwilling zog man in einsame Bergdörfer und photographierte dort die N*****, wie sie tatsächlich leben, zwischen sonnenverbrannten chaotisch verstreuten Felsen ihre winzigen Äcker bebauen, halbnackt in den Bergquellen baden, sich um sieben Ziegen eine Braut kaufen, kurzum, die Welt erscheint in solchen Szenen um 2000 Jahren (sic!) zurückgedreht.“

Zit. nach: Bakondy & Winter 2007, S. 168

2. Der bestialische Kontinent

Das Afrika-Jahr 1960 stellte eine wesentliche Zäsur in der Afrika-Berichterstattung dar. 18 Territorien erklärten ihre politische Selbstständigkeit. Die mediale Berichterstattung über die Unabhängigkeit afrikanischer Staaten war zunächst von vorsichtigem Optimismus geprägt.

Die Situation änderte sich allerdings mit dem Einsetzen der Kongo-Krise (1960-1965). Patrice Lumumba – für die österreichische Nachrichtenagentur APA „ein angehoeriger eines der wildesten afrikanischen staemme“ (APA 1961) – wurde zum ersten Premierminister des unabhängigen Kongo ernannt und ein halbes Jahr später ermordet.

Durch die Grausamkeiten der Kongo-Krise wandelte sich das mediale Bild zunehmend zu jenem eines „bestialischen Kontinents“. Eine große Rolle für die Nachhaltigkeit dieser Wahrnehmung spielte der pseudodokumentarische Film „Africa Addio“ der italienischen Regisseure Gualtiero Jacopetti und Franco Prosperi aus dem Jahr 1966. Jacopetti und Prosperi rückten u. a. die Brutalität der Kongo-Krise in den Mittelpunkt – inklusive der Hinrichtung von Rebellen vor laufender Kamera.

3. Der hilfsbedürftige Kontinent

Keine zwei Jahre nach dem Ende des Konflikts im Kongo kam es in Nigeria zu einem Bürgerkrieg, der die bis heute wahrscheinlich intensivste mediale Beschäftigung mit Afrika nach sich zog: Der Biafra-Krieg (1967-1970).

Die verheerende Auseinandersetzung im Südosten Nigerias wurde von einer beispiellosen Propagandaschlacht begleitet. Unter Mitwirkung internationaler PR-Agenturen wurde Biafra zu einem „Synonym des Hungers“. Die Bilder von Kindern „mit aufgeblähten Bäuchen, mit rötlich verfärbten Haaren, fleckenübersäter Haut und leblosen Augen“ (Der Spiegel 1969, S. 106) brannten sich in das kollektive Gedächtnis der Menschheit.

4. Der Kontinent der Diktatoren und Warlords

Idi Amin Dada in Uganda, Jean-Bedél Bokassa in Zentralafrika, Mobutu Sese Seko in Zaïre: In den 1970-er Jahren prägten vor allem die Gewaltherrschaften afrikanischer Diktatoren die mediale Wahrnehmung.

Im Mittelpunkt der Berichterstattung standen dabei schaurig-bizarre Geschichten über die Brutalität und das Sexleben der Despoten. So schrieb z. B. die APA im Jahr 1977, dass Idi Amin in seinem Kühlschrank die Köpfe seiner ehemaligen Geliebten und eines Rivalen aufbewahrte.

In ihrer Auseinandersetzung mit den afrikanischen Diktatoren offenbarten die österreichischen Medien aber eine gewisse Doppelmoral: So waren die bekannten Menschenrechtsverletzungen durch das Apartheid-Regime in Südafrika im medialen Mainstream lange Zeit kein Thema. Stattdessen wurde über die paradiesischen Zustände für österreichische Auswanderer im Kapstaat berichtet (Sauer 2012, S. 104).

Mit der Demokratisierungswelle Anfang der 1990-er Jahre verloren die westlichen Medien weitgehend ihr Interesse an den afrikanischen Staatschefs. Die einzige Ausnahme war Nelson Mandela, der bis heute als Lichtfigur unter den afrikanischen Politiker*innen gilt.

An die Stelle der Diktatoren traten aber Warlords wie Farrah Aidid in Somalia, Charles Taylor in Liberia, Augustin Bizimungu in Ruanda oder Laurent Nkunda in der Demokratischen Republik Kongo. Den unbeschreiblichen Grausamkeiten der Kriegsfürsten galt ein Hauptaugenmerk der österreichischen Afrika-Berichterstattung bis Ende der 2000er-Jahre.

5. Der Kontinent der Krankheiten

Nach dem Einsetzen der globalen Finanzkrise rückte Afrika zunehmend in den Fokus der internationalen Wirtschaft. Beflügelt wurde diese Entwicklung durch Wachstumsraten jenseits der Fünf-Prozent-Marke. Das Narrativ von „Africa Rising“ erfuhr vor allem in Qualitäts- und Wirtschaftsmedien großen Rückenwind.

Doch dann kam Ebola. Der mediale Umgang mit der Krankheit war entlarvend für die Mechanismen der Afrika-Berichterstattung. Das mediale Interesse explodierte förmlich, als die Krankheit Europa erreichte: Am 12. August 2014 verstarb in Madrid der Geistliche Miguel Pajares, der zuvor als Pfleger in einem Krankenhaus in Liberias Hauptstadt Monrovia gearbeitet hatte. Zu diesem Zeitpunkt hatte es bereits mehr als 1.000 afrikanische Tote gegeben.

Darüber hinaus war die Berichterstattung wenig präzise. Häufig wurde von einer „Ebola-Epidemie in Afrika“ gesprochen. Tatsächlich gab es aber Krankheitsfälle in nur in sechs von 54 afrikanischen Staaten. Die inferiore Informationsleistung dürfte großen Schaden angerichtet haben: Reisebüros aus ostafrikanischen Ländern wie Kenia und Tansania beklagten schwere Umsatzeinbrüche – und das obwohl die Urlaubsmetropole Mombasa von Monrovia weiter entfernt liegt als Wien.

Quellen

  • APA (13.02.1961): lebenslauf lumumba 1. a 132, Wien.
  • Bakondy, V. & Winter, R. (2007): „Nicht alle Weißen schießen.“ Afrika-Repräsentationen im Österreich der 1950er Jahre im Kontext von (Post-)Kolonialismus und (Post-)Nationalsozialismus. Innsbruck.
  • Freches, D. (2016): Nachholbedarf bei Afrika-Berichterstattung. Dortmund. Abgerufen von http://de.ejo-online.eu/qualitaet-ethik/nachholbedarf-bei-afrika-berichterstattung, Zugriff am 18. April 2016.
  • Glodzinski, A. (2010): Raumbild Afrika. Die Konstruktion des afrikanischen Kontinents in deutschen Printmedien. Diplomarbeit. Trier.
  • Luger, K. (1998): Das Bild der Dritten Welt in Österreichs Öffentlichkeit. In: Medien Impulse, 26/1998, S. 15-20.
  • Das Medienquartett (2013): Zur Mediensituation in Afrika. Wien. Abgerufen von http://okto.tv/dasmedienquartett/10469/20130402, Zugriff am 11.04.2016.
  • Mükke, L. (2009): Journalisten der Finsternis. Akteure, Strukturen und Potenziale deutscher Afrika-Berichterstattung. Köln.
  • Neuwirth, M (1992): Fern-Sehen. Afrikabilder des ORF in den Nachrichtensendungen Zeit im Bild 1 und Zeit im Bild 2. In: Zeitschrift für Afrikastudien, 15/1992, S. 3-17.
  • Der Spiegel (1969): Rettung durch die Stockfisch-Bomber, 24/1969, S. 106-114.
  • Pointner, A. & Luger, K. (1996): Die „Gesichter Afrikas“. Ein Kontinent in der Konstruktion österreichischer Printmedien. In: Medien Journal, 20 (4/1996), S. 14-19.
  • Sauer, W. (2012): Auswanderung und Apartheid. Österreichische Emigration nach Südafrika 1948-1994. In: Heuberger, A. (Hg.), Rot-Weiß-Rot in der Regenbogennation. Geschichte und Geschichten österreichischer Auswanderer in Südafrika. Wien-Berlin, S. 97-119.
  • Sauer, W. (2014): Expeditionen ins afrikanische Österreich. Ein Reisekaleidoskop. Wien.

Titelbild: Kriegsfürst aus dem Herz der Finsternis: Am Samstag, 24. Jänner 2009, veröffentlichten alle drei österreichischen Qualitätsmedien dasselbe Bild des kongolesischen Warlords Laurent Nkunda.