Von Louise Sherwood | 19. Juni 2012
Maputo (IPS/afr). Die „Madgermanes“, wie man in Mosambik die 16.000 bis 20.000 Menschen nennt, die vor Jahrzehnten in der damaligen DDR gearbeitet, studiert oder einen Beruf erlernt hatten, geben nicht auf. Seit 22 Jahren fordern sie den Anteil ihres Verdienstes, den die DDR-Regierung damals direkt an die Regierung in Maputo überwiesen hatte.
Diese hatte in einem Abkommen mit Ost-Berlin zugesagt, das Geld den Migranten nach der Rückkehr in die Heimat auszuzahlen. Die Madgermanes, die „Leute, die aus Deutschland kommen“, warten bislang vergeblich auf ihr Geld. Jeden Mittwoch um 11.00 Uhr treffen sie sich zu einer Protestdemonstration in der Hauptstadt.
„Wir marschieren seit 22 Jahren, um unser in Deutschland verdientes Geld zu bekommen, und wir sind sicher, dass sie uns eines Tages bezahlen werden“, erklärte José Alfredo Cossa und schwenkte eine DDR-Flagge. „In Europa haben wir gelernt, wie man friedlich demonstriert. Wo sonst in Afrika gibt es eine solche Demonstration?“
Passanten dürften den Aufmarsch der singenden, tanzenden und trommelnden Frauen und Männer, die an ihnen vorbeiziehen, eher für einen Karnevalszug als eine Protestdemonstration halten, die sich von ihrer Regierung um ihr wohl verdientes Geld geprellt sehen.
Zur Ausbildung in die DDR
Als Mosambik 1975 von der Kolonialmacht Portugal unabhängig wurde, verließen hunderttausende portugiesische Fachkräfte praktisch über Nacht das südostafrikanische Land. Die Folgen für die mosambikanische Wirtschaft waren verheerend. Um die Personallücke, die die Portugiesen hinterlassen hatten, mit gut ausgebildeten Einheimischen schließen zu können, vereinbarte die sozialistische Regierung von Präsident Samora Machel 1979 mit der DDR-Regierung, Mosambikaner nach Ostdeutschland zu schicken, die dort in volkseigenen Betrieben arbeiten oder eine Ausbildung erhalten sollten oder studieren konnten. Als qualifizierte Fachkräfte sollten die Männer und Frauen nach ihrer Rückkehr nach Afrika am Wiederaufbau der Wirtschaft ihres Landes mitarbeiten.
„Mit 21 Jahren wurde ich in die DDR geschickt. Ich sollte Tischler werden und erhielt nach Abschluss der Ausbildung einen Vierjahresvertrag“, berichtete Cossa. „Andere fällten Bäume, arbeiteten in Schlachthöfen oder in Kohleminen.“
Ost-Berlin und Maputo hatten vereinbart, dass den Mosambikanern 40 Prozent ihres Lohnes in bar ausgezahlt würden, während die übrigen 60 Prozent direkt nach Mosambik überwiesen werden sollten. „Man versicherte uns, das werde auf ein Bankkonto überwiesen und uns nach der Rückkehr ausbezahlt.“
„Für die Migranten gab es damals vielerlei Gründe, die Heimat zu verlassen“, erklärte Lázaro Magalhães a Escova. Der Madgerman arbeitet heute in der Verwaltung des Mosambikanisch-Deutschen Kulturinstituts (IMCA) in Maputo. „Sie kamen aus verschiedenen Provinzen und flohen vor Krieg, Hunger oder der Zwangsrekrutierung durch die Armee.“
Zerschlagene Hoffnungen
„Wir freuten uns, als in Berlin die Mauer fiel, doch wir fürchteten uns vor dem Fremdenhass der Skinheads und Neonazis, denn eine Regierung, die uns vor ihnen beschützte, gab es nicht mehr“, berichtete Magalhães. „Weil nach der Wiedervereinigung die volkseigenen Betriebe geschlossen werden sollten, stellte uns die Regierung in Mosambik vor die Wahl, auf eigene Verantwortung zu bleiben oder mit einem Freiflug nach Hause zu kommen.“
Diejenigen, die nach Mosambik zurückkehrten, hofften, sich dort mit dem noch ausstehenden Verdienst eine abgesicherte Zukunft aufbauen zu können. „Ich hatte große Pläne“, berichtete Cossa. „Ich wollte eine Tischlerei aufbauen, in der Türen, Fenster und Möbel hergestellt werden, und später meine deutsche Freundin nachkommen lassen. Doch dann mussten wir feststellen, dass die Regierung unser Geld ausgegeben hatte. Alle Hoffnungen waren dahin.“
Die deutsche Bundesregierung konnte nachweisen, dass das Geld der Migranten zwar an Mosambiks Regierung überwiesen, aber nie auf Einzelkonten eingezahlt worden war. 2002 hatten Untersuchungen deutscher Behörden ergeben, dass die Regierung der DDR 74,4 Millionen US-Dollar an Löhnen und 18,6 Millionen Dollar an Sozialversicherungsbeiträgen nach Mosambik überwiesen hatte, umgerechnet 5.000 Dollar für jeden Arbeiter. Ein entsprechendes Dokument des bundesdeutschen Finanzministeriums liegt den Madgermanes vor. Die Regierung in Maputo spricht von einer weit geringeren Summe, die sie den Migranten schuldet und hat einigen von ihnen umgerechnet zwischen 370 und 550 Dollar zurückgezahlt.
Arbeitslos in der alten Heimat
Auch das Einleben in der afrikanischen Heimat fiel den Madgermanes schwer. „Unsere Nachbarn liefen in zerlumpten Kleidern herum, während wir wie Gentlemen gekleidet waren. Wir brachten Fernseher und Videorecorder mit, die es damals in Mosambik nicht gab“, sagte Cossa.
Zudem wurden viele der in Europa erworbenen Fachkenntnisse in Mosambik nicht gebraucht. „Viele Männer hatten in den Autofabriken den Trabant montiert, doch in Mosambik gab es kaum Autos, von einer Kfz-Industrie ganz zu schweigen“, berichtete Malgalhães. Ihr „europäischer“ Lebensstil brachte die Deutschland-Migranten bald ins soziale Abseits. Man nennt sie bis heute Madgermanes.
Viel Arbeit gab es nicht für sie. Einer von ihnen zog in Maputo eine erfolgreiche Bäckereikette auf. Doch die meisten waren auch noch ein Jahr nach ihrer Heimkehr arbeitslos und begannen mit ihren Protesten zunächst vor dem Arbeitsministerium. Später auch vor anderen Ministerien.
Den Kontakt zu ihren Familien in Deutschland haben viele Madgermanes längst verloren. Wenn die inzwischen erwachsenen Kinder ihre Väter besuchen wollen, ist IMCA für sie eine der ersten Anlaufstellen.
Jetzt haben Mosambiks ehemalige DDR-Migranten einen neuen Versuch unternommen, sich bei der Regierung Gehör zu verschaffen. Doch bisher haben wir keinen Termin für ein Treffen mit dem Premierminister erhalten“, berichtete Cossa. „Selbst wenn es noch Monate dauern sollte, wir warten schon 22 Jahre und werden niemals aufgeben“, versicherte er. (Ende)
Titelbild: Die Madgermanes warten seit 22 Jahren auf den Großteil der Gehälter, die sie in der DDR verdient haben. (Foto: Louise Sherwood/IPS)