Von Charlton Doki | 21. Dezember 2012
Juba (IPS/afr). Der Verkauf von Erdöl brachte dem Südsudan zwischen 2005 und Januar 2012 Einnahmen von rund zehn Milliarden US-Dollar. Seither stehen die Produktionsanlagen wegen eines Streits mit dem Sudan still. Entwicklungsexperten drängen die Regierung in Juba jedoch dazu, möglichst sofort in Land und Leute zu investieren.
Die Ölförderung wurde nach einem Streit mit dem Nachbarland über Transitgebühren eingestellt. In den nächsten Monaten soll die Produktion jedoch wieder anlaufen. Darauf haben sich beide Staaten im September geeinigt.
Leben Nelson Moro, Wissenschaftler an der Fakultät für Frieden und Entwicklung an der Universität von Juba ist der Ansicht, dass die Regierung einen Teil der Öleinnahmen zur Finanzierung der dringend benötigten Infrastruktur verwenden sollte. Nur auf diese Weise könne die Entwicklung des Südsudan vorangetrieben werden. „Die Einnahmen müssen so genutzt werden, dass sie dem gesamten Land zugutekommen.“
Die Regierung fördert zwar die Grund- und weiterführenden Schulen sowie Krankenhäuser in den Hauptstädten mehrerer Bundesstaaten. Doch die Zuwendungen sind unzureichend. In manchen Kliniken werden Gehälter und Medikamente von Nichtregierungsorganisationen gezahlt. In einigen Bildungseinrichtungen würde es ohne die Unterstützung unabhängiger Gruppen keine Lehrbücher und kein Schreibpapier geben. „Die Regierung muss die Öleinnahmen anders verwalten, damit Entwicklungsprojekte für die gesamte Bevölkerung möglich werden“, betont Moro.
In Teilen des Landes sei die Nahrungsversorgung nicht gewährleistet, berichtet er. Im Bezirk Yei im Bundesstaat Central Equatoria oder in Western Equatoria würden dagegen ausreichend Lebensmittel produziert. „Wir brauchen Straßen in die Gebiete, in denen die Nahrungsmittel angebaut werden.“
Nur 110 Kilometer asphaltierte Straßen
Bisher gibt es im Südsudan nur in der Hauptstadt Juba asphaltierte Straßen von insgesamt 110 Kilometern Länge, von denen eine bis zur Grenze zu Uganda verläuft. Zudem sind viele Landesteile ausschließlich über den Luftweg zu erreichen.
Moro zufolge muss der der Bildungs- und Gesundheitsbereich stärker gefördert werden. Gerade junge Menschen müssten gut ausgebildet werden, damit sie Arbeit fänden. „Und damit sie das Land überhaupt voranbringen können, brauchen sie eine solide Gesundheitsversorgung.“
Der meisten der etwa neun Millionen Südsudanesen haben keinen Zugang zu einer medizinischen Grundversorgung. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums verfügt das Land derzeit nur über 120 Mediziner, knapp hundert registrierte Krankenschwestern und weniger als 150 Hebammen. In manchen ländlichen Gebieten erreichen Patienten die nächste Krankenstation erst nach einem mehrtägigen Fußmarsch.
Im globalen Vergleich weist der Südsudan einige der schlechtesten Gesundheitsindikatoren auf. Nach Angaben des UN-Bevölkerungsfonds UNFPA gehört die Müttersterblichkeitsrate mit 2.054 Todesfällen gegenüber 100.000 Lebendgeburten zu den höchsten der Welt. In den wenigen und deshalb hoffnungslos überfüllten Krankenhäusern fehlen Medikamente, Geräte und Fachpersonal.
Weltbankberater Kenyi Spencer ist der Meinung, dass die Erdöleinnahmen unbedingt zur Entwicklung des Agrarsektors verwendet werden müssen. „Die Landwirtschaft wird der eigentliche Motor für die Wirtschaft des Südsudans sein. Die Regierung muss aber entsprechende Maßnahmen ergreifen.“
Auch Spencer hält es für dringend erforderlich, dass der Staat ein größeres Augenmerk auf Bildung legt. Die hohe Analphabetenrate behindere jegliche Entwicklungsbemühungen, kritisiert er. 2011 hatte die Regierung den Anteil der Menschen, die weder lesen noch schreiben können, mit 73 Prozent angegeben.
Praktische Berufsausbildung gefordert
Der Südsudan ist seit Juli 2011 unabhängig und somit Afrikas jüngster Staat. Aufgrund des jahrzehntelangen Bürgerkriegs konnten nur wenige Menschen zur Schule gehen. „Wir brauchen eher eine praktische als eine theoretische Ausbildung“, meint Spencer. Damit das Land Fortschritte mache, würden Klempner, Elektriker, Mechaniker oder Schreiner benötigt. Auch in diese Bereiche müsse Geld aus den Öleinnahmen fließen.
Viele Menschen im Land hoffen, dass mit der Wiederaufnahme der Ölförderung die harten staatlichen Sparmaßnahmen gelockert werden. So erhalten beispielsweise Staatsbedienstete seit Februar weniger Gehalt. Die Erdölgeschäfte hatten 98 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt des Landes beigetragen.
Die tiefen wirtschaftlichen Einschnitte provozieren im Südsudan Gewalt. Anfang September griffen etwa 30 Polizisten im Zentrum des Landes aus Zorn über die Kürzung ihrer Gehälter einen Polizeiinspektor an und verletzten ihn durch einen Schuss in den Arm. In der gleichen Region hatten zuvor Wildhüter einen Vorgesetzten zusammengeschlagen, nachdem ihnen eine Kürzung der Gehälter angekündigt worden war.
Wie Moro erklärt, müssen Beschäftigte an den Universitäten auf fast 75 Prozent ihrer Einkünfte verzichten. Sobald die Ölförderung wieder anlaufe, stehe die Regierung in der Pflicht, die Bezüge der Staatsdiener anzuheben.
Staatspräsident Salva Kir versprach im November, mit den Öleinnahmen die Dienstleistungen zu verbessern. 40 Prozent des Staatshaushalts gehen zurzeit in den Verteidigungssektor. Größere Summen sind zudem durch Korruption in dunklen Kanälen versickert. (Ende)
Titelbild: Schülerin im Südsudan, wo die Analphabetenrate mehr als 70 Prozent beträgt. (Foto: John Robinson/IPS)