Von Daniel Sitole | 10. Juni 2016
Ng’arua (IPS/afr). Daniel Mithamo (28) hat eigentlich mit dem Milchgeschäft keine guten Erfahrungen gemacht. Lange Zeit konnte nur ein Bruchteil der Milch gegen gutes Geld verkauft werden, der Rest musste zu Dumping-Preisen verschleudert werden. Grund für den enormen Preisdruck: Es gab keine Kühlanlagen, mit der die Milch konserviert werden konnte.
Heute ist Daniel Mithamo der Manager einer sehr erfolgreichen Genossenschaft von Milchbauern. Die „Ng’arua Co-operative Society“ ist in Kinamba beheimatet, der Hauptstadt der Division Ng’arua im Laikipia County in Zentralkenia. Die Genossenschaft ist zu einem Vorbild für die gesamte Region geworden: Sie lieferte den Beweis, dass man auch mit vergleichsweise kleinen Investitionen große Entwicklungen bewirken kann.
Zur Vorgeschichte: Bis vor zwei Jahren noch war die Stadt Nyahururu der wichtigste Absatzmarkt für die Milchbauern aus Ng’arua. Doch die 52 Kilometer von Kinamba nach Nyahururu wurden oft nur unüberwindbaren Herausforderung. Vor allem während der Regenzeit waren die Straßen völlig unpassierbar. Oft blieb den Landwirten nichts anderes übrig, als ihre Mich zu schlechten Preisen abzugeben.
Ausbeutung durch Zwischenhändler
„Die Menschen von Ng’arua sind fleißige Bauern, aber sie haben bislang in extremer Armut gelebt“, erzählt Daniel Mithamo. „Es gab keine Konservierungsmöglichkeiten für die Milch, die schlechten Straßen machten die Sache noch schlimmer. Für die Zwischenhändler war es ein leichtes Unterfangen, die Bauern auszubeuten.“ Pro Tag wurden tausende Liter zu Dumping-Preisen verkauft, der entgangene Gewinn für einen Bauern belief sich auf bis zu 9.000 Euro pro Jahr.
Seit 2014 aber hat sich die Situation entscheidend zugunsten der Landwirte verändert. In diesem Jahr hat die Regionalregierung des Laikipia County für fünf Milchgenossenschaften Kühlanlagen angekauft. 10.000 Liter fassen die aus Griechenland importierten Geräte. Zusätzlich hat die Regionalregierung den Bau der benötigten Gebäude sowie die Anschaffung der benötigten Ausrüstung finanziert.
Devolution ermöglicht regionale Entscheidungen
Ermöglicht wurden diese Investitionen erst durch die sogenannte Devolution, die in der Verfassung von 2010 verankert wurde. Dabei wurden wesentliche Entscheidungskompetenzen von der Zentralregierung auf die 47 Countys des Landes verlagert.
In Ng’arua sind die positiven Auswirkungen der Devolution spürbar. Durch die Anschaffung der Kühlanlage ist kein Stein auf dem anderen geblieben. Die Zeiten des Preisdumpings sind vorbei. Für Jugendliche wurden mehr als 100 Arbeitsplätze geschaffen.
Zu den neuen Arbeitnehmern zählt die 32-köpfige Truppe von Motorrad-Taxi-Fahrern. Auf ihren Bodabodas transportieren sie die Milch von den Landwirten direkt zur Kühlanlage in Kinamba. Je nach Wetterlage beträgt die Transportmenge zwischen 350 und 700 Liter Frischmilch täglich.
Die Milchbauern sind stolz auf ihre Genossenschaft. „Wir haben jetzt eine zuverlässige Einkommensquelle, um unsere Kinder zu ernähren, zu erziehen und in ihre Zukunft zu investieren“, erklärt Meshack Njuguna, Vorsitzender der „Ng’arua Co-operative Society“.
Abhängig von einem einzigen Abnehmer
Abgenommen wird die Milch aus der Genossenschaft von der Brookside Dairy Limited. Das Unternehmen wurde 1993 von Mitgliedern der Kenyatta-Familie ins Leben gerufen, zu den Gründern zählte auch der jetzige Staatspräsident Uhuru Kenyatta. Brookside kontrolliert 45 Prozent des Milchmarktes in Kenya und ist damit der größte Milchkonzern des ostafrikanischen Landes.
Die Ng’arua Genossenschaft hat sich vertraglich verpflichtet, täglich zwischen 7.000 und 8.400 Liter Milch an Brookside zu liefern. Die Produktionskapazität der Genossenschaft liegt derzeit bei 9.000 Liter pro Tag. Im Gegenzug stellt Brookside aber auch einen Techniker zur Verfügung, der die hohe Qualität der Milch sicherstellen soll.
Ng’arua gilt als leuchtendes Beispiel für alle anderen Molkereigenossenschaften im Laikipia County. Seit der Reorganisation im Jahr 2014 hat sich Zahl der Mitglieder von 500 auf 2.000 erhöht. Gleichzeitig ist der Jahresumsatz von 4.800 Euro auf 845.000 Euro gestiegen.
Brookside bezahlt für einen Liter Milch derzeit 0,32 Euro. Wird die Mindestmenge von 7.000 Liter allerdings unterschritten, gilt ein Tarif von 0,26 Euro pro Liter. Lieferungen über dem vereinbarten Maximum von 8.400 Litern werden mit einem Satz von 0,28 Euro pro Liter abgegolten.
Neue Produkte für mehr Wachstum
Dennoch bereitet die hohe Abhängigkeit von Brookside der Genossenschaft Kopfzerbrechen. Mit der wachsenden Anzahl von Mitgliedern steigt aber auch das Produktionsvolumen der Genossenschaft. Das Management der Genossenschaft ist daher überzeugt, dass weitere Märkte erschlossen werden müssen. Für das Geschäftsjahr 2016 wurde ein Expansionsprogramm beschlossen. So soll heuer ein Joghurt auf den Markt kommen, das in den Geschäften und Supermärkten der Counties Laikipia, Nyandarua, Nyeri und Nakuru vertrieben werden soll.
Trotz des wirtschaftlichen Erfolges hat die Ng’arua Genossenschaft bislang keine Dividenden an ihre Mitglieder ausgeschüttet. Stattdessen werden die Gewinne in den weiteren Ausbau der Genossenschaft investiert. Dadurch genießen die Mitglieder viele Vorteile, wie z. B. zinslose Vorauszahlungen, Zugang zu günstigen Krediten oder Angebote zur beruflichen Weiterbildung.
Von der Bevölkerung in Laikipia wird die Aufwertung der Regionalregierung großteils positiv beurteilt. Die Bäuerin Margaret Maina ist sogar der Meinung, dass der Wohlstand und die nachhaltige Entwicklung Kenias von der Devolution abhängen: „Laikipia war ein marginalisiertes County, seit der Unabhängigkeit ist der Zustand der Straßen schlecht“, meint Maina. „Die Wiederherstellung der Straßen ist eine große Herausforderung, wenn man bedenkt, wie viele Menschen unter der Armutsgrenze leben.“ Derzeit müssen im County 46 Prozent der Menschen mit weniger als einem Dollar pro Tag auskommen. (Ende)
Titelbild: Daniel Mithamo, Manager der „Ng’arua Co-operative Society“, registriert eine Milchlieferung. (Bild: Daniel Sitole/IPS)