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Im Frauendorf Umoja lebt die Solidarität

Von Hannah Rubenstein | 13. April 2012

Umoja (IPS/afr). Ein im Norden Kenias gängiges Sprichwort besagt: „Als Haupt des Körpers sitzen Männer ganz oben, Frauen sitzen als Hals darunter.“ Die Frauen von Umoja haben mit dieser traditionellen Sichtweise Schluss gemacht. In dem entlegenen Dorf im Grasland des Bezirks Samburu leben sie unter sich, ohne Männer, vor deren Gewalttätigkeiten sie geflohen sind.

Das vor mehr als 20 Jahren gegründete Frauendorf Umoja („Einheit“ auf Swahili) ist ein Refugium für Frauen und Mädchen aus ganz Kenia. Sie sind aus Zwangsehen mit älteren Männern ausgebrochen, flohen vor Gewalt und Vergewaltigung. Andere waren als Witwen von der Familie verstoßen oder aus ihren Gemeinden verbannt worden. Auch Angehörige der Turkana haben in Umoja Schutz vor den ethnischen Konflikten in der kenianischen Zentralregion Isiolo gesucht.

Den Grundstein zu Afrikas einzigem Frauendorf hatte 1990 die Initiative „Umoja Uaso Women’s Group“ gelegt. Um ihren Unterhalt und den ihrer Familien zu bestreiten fertigten die indigenen Frauen ihren traditionellen Perlenschmuck an und verkauften ihn. Die Geschäfte gingen so gut, dass immer mehr Männer in ihren Gemeinden kritisierten, es gehöre sich nicht, dass Frauen so viel verdienten.

Schließlich packten die drangsalierten Frauen zusammen und richteten sich unter Leitung der Umoja-Gründerin Rebecca Lolosoli und mit Unterstützung der Frauenorganisation MADRES ihr eigenes Dorf ein.

Heute leben die 48 Frauen im Dorf von der Perlenstickerei und dem Betrieb eines nahe gelegenen Campingplatzes und eines Kulturzentrums. Alle Einnahmen wandern in die Gemeinschaftskasse, aus der die Dorfbewohnerinnen ihren Alltagsbedarf bestreiten. Die Einnahmen reichen auch für anfallende Kosten für Medikamente und den Unterhalt einer Schule, in der Dorfkinder und Erwachsene lesen und schreiben lernen und andere Grundkenntnisse erwerben können.

„Ich werde Umoja nie wieder verlassen.“

Nagusi Lolemu lebt seit 22 Jahren in Umoja. Ihre beiden Kinder sind inzwischen erwachsen. Ohne die Arbeit an einer Perlenstickerei zu unterbrechen, berichtete sie IPS: „Nachdem mein Mann gestorben war, wurde ich aus meiner Gemeinde verstoßen. Es gab dort einfach zu viele allein stehende Frauen.“ Sie werde Umoja nie wieder verlassen, erklärte Lolemu. „Hier sind meine Kinder aufgewachsen und konnten etwas lernen. Heute arbeiten sie hier und können der Familie und der Gemeinschaft etwas von dem zurückgeben, was sie hier bekommen haben.“

In ihren von Traditionen bestimmten Heimatdörfern hatte es für Frauen kaum Bildungsmöglichkeiten gegeben, berichtete sie.“ Dort wäre meine Tochter Analphabetin geblieben und immer von einem Mann abhängig gewesen. In Umoja sind alle gleichberechtigt“, bekräftigte Lolemu.

„In einem traditionellen Dorf haben Frauen keine Chance, eigenständig über ihr Vermögen oder ihre Ressourcen zu verfügen“, bestätigte die Aktivistin Celena Green, Programmdirektorin der zivilen Organisation „Vital Voices“, die mit den Frauen von Umoja zusammenarbeitet. „Sie müssten mit häuslicher Gewalt, Genitalbeschneidung, Kinderehen und anderen traditionellen Praktiken rechnen, die Frauen und Kinder diskriminiert und physisch verletzt.“

Kulturelles Erbe erhalten

Damit solche Traditionen aus Umoja verbannt bleiben, folgen die Frauen eigenen Regeln, die auf Gleichberechtigung und gegenseitigem Respekt beruhen. Zum Erhalt ihres kulturellen Erbes haben sie sich verpflichtet, immer traditionelle Kleidung und ihren komplizierten Perlenschmuck zu tragen. Genitalverstümmelung ist verboten, und zum Übernachten dürfen nur männliche Wesen im Dorf bleiben, die hier aufgewachsen sind.

Nach 22 Jahren macht sich der Einfluss der Frauen von Umoja in der gesamten Umgebung bemerkbar. „Auch in anderen Dörfern haben sich Frauengruppen zusammengefunden, die ihrem Beispiel folgen“, berichtete Green. Umoja bietet Frauen und Mädchen aus dem Umland Kurse über Menschenrechte, Gleichberechtigung und Gewaltprävention an. „Zuhause, im eigenen Dorf, beginnen die Teilnehmerinnen allmählich die traditionelle Kultur in ihren Gemeinden zu verändern und fordern die Abkehr von Gewalt und den Schutz von Frauen und Mädchen. So bauen sie Gemeinschaften auf, die auf gegenseitigem Respekt beruhen“, erklärte die Frauenrechtlerin.

Trotz ihrer negativen Erfahrungen können sich etliche jüngere Frauen in Umoja ein zukünftiges Leben mit einem Mann durchaus vorstellen und werden dabei von den Älteren unterstützt. So denkt die 19-jährige Judy, die vor fünf Jahren aus einer arrangierten Ehe mit einem wesentlich älteren polygamen Mann geflohen war, irgendwann einmal wieder ans Heiraten. Die Mutter eines sechs Monate alten Sohnes verabredet sich außerhalb des Dorfes mit Männern. In Umoja vermisse sie nichts aus ihrem früheren Leben, versicherte sie. „Hier fehlt es uns an nichts.“ (Ende)

Titelbild: Im Dorf Umoja bleiben Frauen unter sich. (Foto: Hannah Rubenstein/IPS)