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Kinderprostitution im Urlaubsparadies

Von Diana Wanyonyi | 7. Dezember 2016

Kwale County (IPS/afr). Mehr als 15.000 Kinder verdienen an der kenianischen Südküste ihr Geld mit Prostitution. Viele werden von ihren Eltern dazu gewzungen. Zu den Kunden zählen vor allem Fischer aus Tansania, Bodaboda-Fahrer und Touristen. Tabus und Traditionen machen es Sozialarbeitern schwer, die sexuelle Ausbeutung zu bekämpfen und die Täter zu bestrafen.

Es ist ein heißer Samstagmorgen im kleinen Ort Gazi – ca. 45 Kilometer Luftlinie südlich von Mombasa. Die 15-jährige Hafsa Juma (Name von der Redaktion geändert) sitzt in der sengenden Sonne. Mit einer langen Dera am Leib und dem Kopftuch Mtandio trägt sie die traditionellen Bekleidungsstücke der Swahili-Küste. Seit mehr als einer Woche leidet sie an Grippe mit heftigen Kopfschmerzen. Sie hofft, dass die Hitze gegen den Schüttelfrost hilft. Einen Arztbesuch kann sie sich nicht leisten.

Hafsa ist eines von vielen Mädchen, die ihren Körper am Strand von Gazi verkaufen. Als älteste von drei Geschwistern ist sie für die Ernährung der Familie verantwortlich. Nachdem Hafsa die achtjährige Grundschule vor zwei Jahren abgeschlossen hat, begann sie sich zu prostituieren.

Ein halbes Kilo Fisch und ein wenig Geld

„Meinen Eltern geht es nicht gut und deshalb gibt es bei uns zu Hause kaum etwas zu essen“, erklärt Hafsa. „Deshalb muss ich mich auf den Weg machen und nach etwas Nahrung Ausschau halten.“ Jeden Abend um acht Uhr geht sie außer Haus und kommt erst am nächsten Tag zu Mittag zurück.

„Ich habe jeden Abend einen Kunden“, erzählt sie und vermeidet dabei jeglichen Blickkontakt. „Wenn er auf meine Forderungen eingeht, bekomme ich 200 Schilling (1,80 Euro) und halbes Kilo Fisch.“

Hafsa berichtet, dass sie von ihren Eltern – insbesondere von ihrer Mutter – zur Prostitution gezwungen wurde. „Ich gehe jeden Tag an den Strand“, sagt die Teenagerin. „Wenn es gut läuft, verdiene ich in einem Monat 5.000 Kenianische Schilling (46 Euro) – dann habe ich kein Problem damit.“

Fischer und Bodaboda-Fahrer als Kunden

Während des Gesprächs mit Hafsa nähert sich ein grünes Fischerboot. Am Strand tummeln sich bereits viele Frauen, Männer und Kinder mit ihren Körben, die auf den frischen Fang warten.

Die meisten Kunden von Hafsa sind Fischer aus dem Nachbarland Tansania, die während des Monsuns einmal im Jahr nach Gazi reisen und dort zwischen Dezember und März etwa für drei Monate ihren Geschäften nachgehen. Nach dem Ende der Monsunzeit, kehren die tansanischen Fische nachhause zurück. Dann findet Hafsa ihre Kunden vor allem bei den Bodaboda-Fahrern, die auf ihren Motorrädern Passagiere transportieren.

„Wenn ich reisen will, steige ich einfach auf ein Motorrad“, sagt Hafsa. „Kurz vor dem Ziel stimmt der Bodaboda-Fahrer meistens Sex als Zahlungsmittel zu. Er gibt mir 100 Schilling dazu (90 Cent). Das Gleiche mache ich mit anderen Bodaboda-Fahrern auf dem Rückweg.“

Kinder ab zwölf Jahren stark gefährdet

Iddi Abdulrahman Juma ist stellvertretender Vorsitzender der „Gazi Beach Management Unit“. Er hat eine Ausbildung bei der NGO Strengthening Community Partnership and Empowerment (SCOPE ) absolviert, die gegen die kommerzielle Ausbeutung von Kindern im Kwale County kämpft.

Juma beschuldigt Eltern und Vormunde, Kinder anfällig für die Sexarbeit zu machen, indem sie diese zum Fischkauf an den Strand schicken. Vor allem die Altersgruppe zwischen zwölf und 17 Jahren ist besonders gefährdet, Opfer von sexueller Ausbeutung zu werden.

„Wir haben gerade erlebt, wie zehn Kinder an den Strand gekommen sind“, sagt Juma. „Einige von ihnen waren bereits schwanger, und andere waren mit tödlichen Krankheiten infiziert.“

Sex mit Säufern

20 Kilometer von Gazi entfernt fegt die 14-jährige Asumpta Pendo (Name von der Redaktion geändert) eine strohbedeckte Lehmhütte aus. Sie sagt, dass die Hütte ein Mangwe sei – ein Platz also, an dem der traditionelle Palmwein namens Mnazi verkauft wird.

Asumpta schläft oft mit den betrunkenen Gästen, um Essen auf den Tisch ihrer Familie zu bringen. Wie Hafsa wurde auch sie von ihrer Mutter zur Prostitution gezwungen.

„Ich bin in der siebten Klasse durchgefallen, weil meine Mutter nicht in der Lage war, mich zu erziehen“, beklagt Asumpta ihr Schicksal. „Wir leben in Armut, das Leben ist hart.“ Asumpta erzählt von ihren Freiern, die hauptsächlich Trinker sind. „An einem Tag bekomme ich normalerweise ein oder zwei Kunden. Einige von ihnen verwenden Kondome, andere lehnen sie ab. In der Regel verdiene ich zwischen einem und zwölf Dollar pro Nacht.“

Wenn sich Asumpta weigert, zur Arbeit zu gehen, wird sie von ihrer Mutter geschlagen. „Ich mag nicht, was ich tue“, sagt sie traurig. „Aber ich werde dazu gezwungen, weil wir überleben müssen.“

Kampf gegen die sexuelle Ausbeutung

Eine Untersuchung des Netzwerks ECPAT aus dem Jahr 2007 legte offen, dass damals bereits 10.000 bis 15.000 Mädchen an der kenianischen Küste im Sextourismus arbeiteten. Um die sexuelle Ausbeutung von Kindern im Kwale County zu beenden, kooperiert SCOPE mit der niederländischen Fraktion der Organisation Terre des Hommes.

Emanuel Kahaso ist der Koordinator des gemeinsamen Projekts. Die Zahlen der ECPAT-Studie hätten sich mittlerweile sogar erhöht, meint er.“Wir haben herausgefunden, dass sich alleine an der kenianischen Südküste mehr als 15.000 Kinder Touristen prostituieren.“

Drehscheiben der Kinderprostitution seien vor allem Diskotheken und Nachtclubs, meint Kahaso. Aber auch die Zunahme der Bodaboda-Fahrer habe etliche Mädchen zur Sexarbeit verleitet. „Wegen der Traditionen und den Tabus reden viele Eltern nicht mit ihren Kindern über Fortpflanzungsgesundheit“, sagt Kahaso weiter. „Einige Täter werden wegen der Tabuisierung nicht bestraft.“

Angesichts der rasch zunehmenden Anzahl an Kinderprostituierten wirkt der Kampf von SCOPE und Terre des Hommes fast aussichtlos. Doch die Sozialarbeiterin Saumu Ramwendo denkt nicht daran aufzugeben. Im Krankenhaus von Msambweni berät sie Mädchen in Gesundheitsfragen und im Kampf gegen sexuelle Ausbeutung. 360 Mädchen, die bereits Opfer von sexueller Ausbeutung geworden sind, und 500 Mädchen mit erhöhtem Risiko sind bislang hier betreut worden. (Ende)

Titelbild: Am Strand von Gazi im Kwale County warten viele Menschen auf den Fang der Fischerboote. (Foto: Diana Wanyoni/IPS)